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Himmel, Polt und Hölle

Himmel, Polt und Hölle

Titel: Himmel, Polt und Hölle
Autoren: Alfred Komarek
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Mittagsschlaf besuchte er Karin Walter, um von seinem Gespräch mit Franz
Fürst zu berichten.
    „So ist er eben.“ Die Lehrerin schob unwillig einen
Stoß blauer Schulhefte beiseite. „Aber ein ganz lieber Mensch ist er auch. Ich
könnte dir Geschichten und Geschichten erzählen, Simon. Aber etwas anderes. Ich
wollte mich heute noch ein wenig am Grünberg umschauen, für den Schulausflug im
Herbst. Kommst du mit?“
    „Ja“, sagte Polt, „ja, gerne.“ Und er spürte ein
deutliches Kribbeln im Nacken.
     
    Am Waldrand legten Karin Walter und Simon Polt ihre
Fahrräder ins Gras. Die Lehrerin schaute den Gendarmen prüfend an. „Was fällt
dir auf, an so einem Übergang zwischen zwei Lebensräumen?“
    „Nicht viel.“ Polt war noch ein wenig außer Atem.
„In Naturkunde war ich ziemlich schwach. Aber man lernt ja nie aus, nicht
wahr?“
    „Das ehrt dich, mein Lieber. Schau einmal: Diese
Stauden da gehören noch nicht richtig zum Wald, weil sie viel Licht und Wärme
brauchen. Andererseits könnten sie ohne den Schutz höherer Gehölze nicht
gedeihen. Gleich dahinter wachsen so ziemlich alle Sträucher, die bei uns im
Weinviertel vorkommen. Unglaublich viele Insekten gibt es da, seltene
Schmetterlinge, und natürlich Vögel.“
    Simon Polt war auch jetzt kein guter Schüler. Er achtete
kaum darauf, was die Lehrerin sagte, aber er fand den Klang ihrer Stimme
außerordentlich reizvoll. Auch hielt er es für pure Zeitverschwendung, Grünzeug
zu betrachten und dabei womöglich Karin Walter aus den Augen zu verlieren.
    „Mir nach, Simon! Der Weg ist fast zugewachsen um
diese Jahreszeit.“
    Aus der Stille, die über den Weingärten lag,
tauchten die beiden in das vielstimmige Halbdunkel des Buschwerks ein und
fanden sich wenig später zwischen schlanken Baumstämmen wieder. „Eichen,
Hainbuchen und Linden stehen hier, Simon. Der Hohlweg vor uns folgt einem der
langen Täler, die den Hängen des Grünbergs eine überraschend komplizierte
Struktur geben. Und da links führt ein schmaler Weg direkt zum Gipfel, der
Jungfernsteig.“
    Polt versuchte, nicht zu grinsen. „Den nehmen wir!“
    „Nein. Wir gehen geradeaus. Ich will dir was
zeigen.“
    Nach einer Weile blieb Karin stehen und schaute sich
suchend um. „Da muß es irgendwo sein. Dieser Graben linker Hand ist ein
aufgelassener Hohlweg. Komm, wir müssen auf die andere Seite.“
    Abseits des Weges war es mühsam voranzukommen,
hüfthoch wucherte das Grün. „Wir sind gleich da, Simon. Diese kleine Lichtung
da vorne: Fällt dir was auf?“
    Polt sah Stauden und hohes Gras, aus dem Blumen
leuchteten. Die tiefstehende Sonne legte lange Baumschatten darüber. „Was soll
mir hier auffallen, Karin? Schön ist es.“
    „Ja, das auch. Außerdem stehst du vor einem Tatort,
mein Lieber!“
    Die Lehrerin lief auf die Wiese und teilte mit
beiden Händen das Gras. Der rundliche Buckel eines flach behauenen Steines kam
ans Licht. Aus der Nähe erkannte Simon Polt dann ein Kreuz und verwitterte
Schriftzüge. „Ein Grabstein, Karin?“
    „Ja. Der Fürst Franzi hat ihn entdeckt, und ihm ist
es auch gelungen, die Inschrift zu entziffern. Unter der Jahreszahl 1638 wird
berichtet, daß hier ein gewisser Georg von Datschit begraben liegt, der von
drei Personen unerbärmlich ist
ermerdert worden.“
    „Na das sind Raubersgschichten!“ Der Gendarm betrachte
fasziniert den Stein. Dann stutzte er. „Du Karin, da, an der Rückseite, ist
noch etwas, nur oberflächlich eingekratzt!“
    „Tatsächlich, Simon. Ein Hut mit Feder! Kommt mir
übrigens bekannt vor. Ein wenig wächst schon Moos darüber. Muß lange her sein,
daß sich hier jemand verewigen wollte.“
    „Stimmt. Allerdings ist mir diese Zeichnung in den
letzten Tagen auch anderswo untergekommen.“
    „Erzähl!“
    „Später einmal. Ist wahrscheinlich halb so wichtig.
Du solltest dich lieber um die Auffrischung meiner botanischen Kenntnisse
bemühen.“
    „Gern! Dieser einzeln stehende Baum da ist eine
Wildkirsche, leicht zu erkennen an den Querstreifen der Rinde.“ Die Lehrerin
nahm Simon Polt an der Hand. „Komm, wir nehmen einen anderen Weg zurück. In ein
paar Minuten sind wir am Saugraben. Der führt geradewegs zur Brunndorfer
Kellergasse.“
    Entschlossen drang sie durch dichtes Gehölz vor.
Dann blieb die Lehrerin so plötzlich stehen, daß der Gendarm fast gegen ihren
Rücken prallte. „Simon, um Himmelswillen!“
    Sie schaute nach oben, Polt folgte ihrem Blick und
sah ein totes Reh. Eine Drahtschlinge
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