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Himmel, Polt und Hölle

Himmel, Polt und Hölle

Titel: Himmel, Polt und Hölle
Autoren: Alfred Komarek
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das?“
    „Vom lieben Gott.“
    „Gar so lieb klingt das aber nicht.“
    „Nein.“ Bartl war aufgestanden, eine kleine, elende
Gestalt. „Das ist nämlich so: Ich wachse mir über den Kopf, himmelhoch über
den Kopf. So ist das.“ Dann ging er.
    Kurzbacher schaute ihm nach. „Der will sich wichtig
machen, was?“
    Der Gendarm seufzte. „Wenn ich das nur wüßte.“
     
    Morgengrauen
     
    Gegen vier Uhr früh wachte Simon Polt auf. Er war
nackt, das Flanellleintuch, mit dem er sich zugedeckt hatte, lag
zusammengeknüllt neben ihm. Das Beste an seinem unruhigen Schlaf waren die
Träume gewesen. Erstaunlich, zu welchen erotischen Ausschweifungen sein
Unterbewußtsein fähig war.
    Durch das offene Fenster klangen Vogelstimmen. Es
war noch immer sehr warm.
    Indes hatte Czernohorsky, Polts roter Kater,
erkannt, daß sein Mitbewohner und Ernährer aufgewacht war. Er miaute fordernd
und bearbeitete mit seinen dicken Pfoten die geschlossene Schlafzimmertür.
    „Ruhe, geschwänztes Monstrum!“
    Czernohorsky intonierte einen Schrei, der das ganze
Leid der gequälten Kreatur in einem mißtönenden Crescendo vereinte.
    Polt resignierte. Kaum eine halbe Stunde später saß
er am Frühstückstisch, neidvoll beobachtet von seinem nur einigermaßen
gesättigten Kater.
    Bis zum Dienstantritt um acht war noch Zeit. Der
Gendarm entschloß sich zu einem kleinen Morgenspaziergang. Leise, um die
Höllenbauern, bei denen er wohnte, nicht zu wecken, verließ er das Haus.
    Der Höllenbauerhof stand in Burgheim, kaum zwei
Kilometer von Brunndorf entfernt, wo der Kurzbacher zu Hause war. Brunndorf war
immer klein gewesen. Burgheim hingegen hatte es in der Vergangenheit zur Stadt
gebracht. Viel war von dieser, ohnedies sehr bescheidenen Bedeutung nicht
geblieben. Aber nach wie vor hatte ein Notar sein Büro hier und Polts
Dienststelle gab es allen Rationalisierungsbemühungen zum Trotz immer noch.
    Polt mochte den frühen Morgen recht gern, dieses zögernde
Licht, in dem noch eine Ahnung von Nacht war. Gemächlichen Schrittes ging er am
Kirchenwirt vorbei und am Gemeindeamt, wo er die Bekanntmachungen studierte,
die in einem kleinen verglasten Kästchen mit Heftklammern befestigt waren. Ein
Grundstück war zur öffentlichen Versteigerung ausgeschrieben. Der Gendarm
wußte, daß es - noch - dem Firmian Halbwidl gehörte. Als Bub war Polt mit ihm
zur Schule gegangen, und Jahr für Jahr war Firmian der Klassenbeste gewesen.
Doch später konnte er mit seinem Schulwissen nur noch wenig anfangen. Als
Weinbauer kam er mehr schlecht als recht durch. Immerhin hatte er es aber zum
Mesner gebracht, zum „Sakristeidirektor“, wie die Leute sagten, und darauf war
Firmian merklich stolz.
    Als sich Polt der Stelle näherte, wo die Burgheimer
Kellergasse in die Hauptstraße des Ortes mündete, sah er ein offenbar
vielfüßiges Wesen auf sich zukommen. Bei genauerem Hinsehen war zu erkennen,
daß drei Männer einander um die Schultern gefaßt hielten und so jeder jedem
Halt gab. Nach unten verästelte sich die kompakte Dreieinigkeit allerdings in
ein unsicher bewegtes Gewirr von Beinen. Als einer der Männer Simon Polt erkannte
und die rechte Hand grüßend erhob, wurde das komplizierte Zusammenspiel der
Schritte für einen Augenblick empfindlich gestört. Schnell und beinahe lautlos
kam der Dreifachmensch zu Fall.
    Polt half den betagten Weinbauern, die zusammen wenigstens
zweihundert Jahre alt waren, auf die Füße. „Na, ihr Helden?“
    Jetzt waren die Männer zu viert, und weil einer energisch
und nüchtern die Richtung angab, erreichten auch alle anderen ihr Ziel. Nach
vollbrachter Tat war Polt wieder allein. Er stand vor dem Kriegerdenkmal des
Ortes. Auf einem mächtigen Sockel lag ein sterbender Löwe, der ein lautloses
letztes Brüllen ausstieß. Der Gendarm glaubte, darin so etwas wie grimmige
Befriedigung zu erkennen. Letztere galt wohl der Fürsorge, die der Burgheimer
Kameradschaftsbund seinem steinernen Raubtier seit jeher angedeihen ließ. Am
semmeblonden Schutzanstrich wurde nie der geringste Makel geduldet, und
neuerdings hatte man unter gewaltiger Kraftanstrengung den Sockel, der vordem
parallel zur Straße gestanden war, ein wenig gedreht. Diese neue Position gab
dem Denkmallöwen unbestritten eine gewisse Dynamik.
    „Der schaut so drein, als hätte er gestern im Keller
ein Glas zu viel erwischt, hab ich recht?“
    Polt hatte gar nicht bemerkt, daß jemand neben ihm
stand. „Nur keine Respektlosigkeiten!“ Er schaute dem frühen
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