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Himbeersommer (German Edition)

Himbeersommer (German Edition)

Titel: Himbeersommer (German Edition)
Autoren: Anja Saskia Beyer
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lächelt uns freundlich an. Das grüne Ungeheuer steht mitten im Warteraum, so dass auch jeder mitbekommt, wer welche Geschlechtskrankheit hat,
„Blasenentzündung?“, tippt sie einfach mal ins Blaue.
„Nein, äh … mein Freund …“. Ich sehe Tobias erwartungsvoll an. Wenn ich schon den Termin gemacht habe, kann er ja wenigstens reden.
„Guten Morgen, ja ich … soll getestet werden,“ Er quetscht ein misslungenes Lächeln heraus.
„Ah, die Sperma-Probe“, flötet die Vollbusige laut und streckt ihm einen durchsichtigen Plastikbecher hin. Durchsichtig, damit auch jeder sofort sieht, wie viel er konnte?
„Bitte die dritte Tür rechts“, lächelt sie ihn an, und Tobias ist noch blasser, so blass war er zuletzt, als Schalke gewonnen hatte.
Tobias nimmt den Becher irgendwie in Trance entgegen, hält ihn in der Hand und starrt mich an. Dann stellt er ihn auf den Tresen zurück und zieht mich mit sich hinaus.
     
Wir stolpern die vielen Treppen hinunter und sind endlich an der frischen Luft. Auf der Straße bricht dann alles aus ihm heraus.
„Ich kann nicht. Ich …“ Er stoppt.
„Was?“, will ich tonlos wissen, und meine Knie fühlen sich an wie grüner Schleim, den es in meiner Kindheit in Plastikbechern gab.
„Kinder … ich kann keine Kinder … zeugen, Nora, es tut mir so leid … Ich … ich hab mich testen lassen … vor einem halben Jahr schon … ich wollte es dir damals schon sagen, aber ich hab irgendwie nie … ich hatte so Angst … dass ich dich verliere … es muss an diesen verdammten Masern liegen, die ich letztes Jahr hatte …“
Stille. Ein kleines Mädchen, das uns auf seinem Puky-Dreirad entgegenkommt, wiehert mit seinem Barbiepferd durch die Prärie. Die Welt scheint eine zweite Zeitebene erreicht zu haben. Ich kriege Flecken. Hektische Flecken am Hals und würde am liebsten lachen und wiehern … EIN HALBES JAHR weiß er es schon!?!
     
***
Als hätte ich ein Ziel - irre ich umher. Schwangere Frauen kommen mir entgegen, winken mir zu. Aus Kinderwagen ist höhnisches Babygekicher zu hören. Ich habe das Gefühl, ich drehe mich im Kreis.
Da sehe ich die rettende Insel. Ein kleines, französisches Bistro, umwuchert von Flieder und Himbeeren. Ich durchschreite den betörenden Duft und flüchte mich hinein in ein bezauberndes Ambiente. Kleine braune Bistrotische, liebevoll dekoriert mit echten Mohnblumen.
„Eine Flasche Weißwein zum Mitnehmen, egal welcher“, sage ich, bevor sich meine Augen an das dunklere Licht gewöhnt haben, und setze mich auf einen braunen Barhocker, eine Sekunde, bevor meine Füße ihren Dienst versagen.
Da keine Reaktion von dem Mann hinterm Tresen kommt, kneife ich meine Augen zusammen und sehe ihn finster an. Erst jetzt erkenne ich ihn im Nebel.
Es ist der faltenlose Vespa-Fahrer, der mich erstaunt und besorgt ansieht.
„Ich mach dir eine heiße Schokolade.“ Er entscheidet einfach über meinen Kopf hinweg und fängt an, die Milch aufzuschäumen. Mir ist kalt, und die Vorstellung, die Kälte etwas verscheuchen zu können, lässt mich sitzen bleiben.
Daniel wirft mir immer wieder einen besorgten Blick zu, schüttet Kakao-Pulver in die Tasse, rührt nachdenklich um. Er fragt nicht nach und ich bin ihm sehr dankbar dafür.
„Zigarette?“ Das ist die einzige Frage, die ich gelten lasse. Ich sehe ihn an und rutsche dabei in Zeitlupe vom Barhocker - zu Boden.
Daniel ist sofort bei mir, hilft mir hoch, wir sehen uns an.
„Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben auch nur eine einzige Zigarette geraucht“, sage ich, als würde ich sagen: „Ich habe eine Wassermelone getragen.“ Und wer wie ich über den Tod von Patrick Swayze immer noch nicht hinweg ist, weiß, wie ich mich gerade fühle.
„Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt,“ sagt Daniel, „für alles.“
„Der Haut einer Frau sieht man jede einzelne Zigarette an, sagt meine Mutter immer.“ Ich fröstele.
Er lächelt und streicht mir zart über die Wange.
„Wie ein Babypopo.“
Ich schluchze los, und er nimmt mich einfach in seinen Arm. Und duftet - viel zu gut.
Ich mache mich schnell wieder los, streiche mir meine Haarsträhne aus dem Gesicht und setze mich ungalant schniefend auf den Barhocker.
Daniel stellt mir die heiße Schokolade hin, dazu eine ungeöffnete Flasche Chardonnay, nimmt eine Streichholzschachtel aus einer Schale vom Tresen, zündet das Streichholz an und sieht mir über das Feuer hinweg in die Augen. Eine Sekunde, zwei, drei …
„Mist.“ Er schüttelt seine Hand, denn er hat
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