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Hibiskusblüten

Hibiskusblüten

Titel: Hibiskusblüten
Autoren: Alexander Borell
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Dollar.“
    „Aha“, machte sie wieder, und sie zeichnete mit ihrem zierlichen Finger ein Männchen in den Staub auf dem Kotflügel. Dann nickte sie mir zu und verschwand im Haus.
    Ich folgte ihr und kam in eine große Halle mit rotem Terrazzoboden. In der Mitte der Halle stand eine Vitrine aus Glas und Mahagoniholz, in der silberne und goldene Pokale, Medaillen und ähnlicher Kram ausgestellt waren. Die eingravierten Inschriften besagten, daß Mister Pickles schon viele Preise für seine Blumen bekommen hatte. Merkwürdig — wenn jemand einen Preis zu verteilen hat, veranstaltet er vorher offenbar stets einen Wettbewerb für die größte Geschmacklosigkeit.
    An den Wänden hingen Blumenbilder in allen Größen; aber die Vasen auf den Fenstersimsen waren leer.
    Ich räusperte ein prachtvolles Crescendo, und als das nichts half, fing ich an zu husten. Hierauf kam aus einer der Mahagonitüren, die mich an eine Schiffskabine erinnerten, eine schwarzgekleidete Dame von etwa fünfunddreißig Jahren. Sie schaute mich überrascht an und fragte, wie ich hier hereingekommen wäre.
    „Durch die Türe“, sagte ich ungehörig. „Ich habe überall nach einer Klingel oder einem Klopfer gesucht. Ich bin Allan Stretcher, Detektiv, und wurde von Mister Pickles bestellt.“
    „Ach so“, sagte sie nur und schaute an mir vorbei zu den großen Fenstern. Sie war ziemlich blaß und sah aus, als habe sie viel Kummer gehabt; aber man konnte trotzdem sehen, daß sie einmal ein hübsches Mädchen gewesen sein mußte. Ihr Mund hatte etwas zu schmale Lippen. Da ich Frauen mit schmalen Lippen nicht besonders mag — sie sind mir zu geschäftstüchtig —, erst recht nicht, wenn sie schwarz gekleidet sind, sah ich mich nicht veranlaßt, ihr gegenüber besonders viel Charme zu vergeuden. Ich blieb abwartend.
    „Ach so“, wiederholte sie und blickte mich kurz an, „Sie kommen wegen dieser dummen Hibiskusblüten. Es ist lächerlich, was er damit für ein Theater macht. Warten Sie bitte einen Augenblick, ich sage ihm Bescheid.“
    Es dauerte höchstens eine halbe Minute, bis sie wiederkam.
    „Kommen Sie bitte mit“, sagte sie und führte mich in einen großen Raum, der ein Mittelding zwischen Treibhaus und Arbeitszimmer darstellte. Überall an allen Wänden rankten Pflanzen, teils in üppigem Grün, teils mit bunten Blüten übersät. Mitten im Raum stand ein großer Tisch, auf dem fußhoch Bücher herumlagen, so daß ich den alten Herrn, der in einem hoben Lehnstuhl hinter dem Tisch saß, kaum sehen konnte.
    Die schwarze Dame beugte sich ans Ohr des Alten und rief: „Das ist der Detektiv, Onkel Joshua!“
    Der alte Mann erhob sich und kam mir entgegen. Er ging ein wenig vornüber gebeugt und mit kurzen, steifen Schritten, wie man sie manchmal bei alten Militärs findet, die sich diese Steifheit allerdings nicht im Schützengraben geholt haben.
    „Mister Stretcher?“ fragte er.
    Ich bestätigte, Mister Stretcher zu sein. Sein Gesicht war stark zerfurcht, und sein grauweißes, borstiges Haar war
    Gleichmäßig kurz geschoren. Er legte die Hand ans Ohr und sagte: „Reden Sie laut, ich bin schwerhörig.“
    Ich schrie ihn an: „Ich bin Allan Stretcher, der Detektiv!“
    „Natürlich“, brummte er, „das hab’ ich doch gehört.“
    Hierauf machte er eine Handbewegung zu der Dame hin und sagte: „Das ist Mrs. Buttom, die Tochter meiner verstorbenen Schwester. — Mary-Ann, es wäre gut, wenn du bei dieser Unterredung anwesend sein könntest.“
    Mrs. Buttom runzelte die Stirn. Man sah ihr deutlich an, daß sie die Hibiskusblüten, mich und Onkel Joshua höchst langweilig fand.
    „Aber ich habe absolut keine Zeit“, sagte sie.
    Der Alte wandte ihr mit einem Ruck den Kopf zu.
    „Was?“
    „Keine Zeit!“ schrie sie ihm ins Ohr.
    Er machte eine harte, abgehackte Handbewegung.
    „Bitte“, sagte er, „nimm dir einen Stuhl und bleibe hier. Mister Stretcher — vielleicht setzen Sie sich hierhin — so, gut. Also Sie wissen bereits, worum es sich handelt?“
    „Ja. Ihr Sekretär sagte es mir.“
    Nach Art aller Schwerhörigen beobachtete er dauernd meinen Mund. Ich fuhr fort: „Man hat Ihnen aus Ihrem Treibhaus einige Hibiskusblüten entwendet?“
    Ich sprach so laut, wie man sich etwa zwischen zwei Schiffen auf hoher See bei Windstärke acht unterhält.
    „Einige?“ fuhr er mich an. „Alle sind sie weg! Alle, junger Mann!“
    Er schob sich nun seinen großen Lehnstuhl heran — die Rückenlehne zeigte eine kunstvoll in vielen
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