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Heyne Galaxy 02

Heyne Galaxy 02

Titel: Heyne Galaxy 02
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Erklärung erst nach langem Nachdenken.

Die Wunderdroge
    (The Stuff)
     
    Henry Slesar
     
     
    »Bitte, Doktor, keine Lügen mehr«, sagte Paula. »Ich habe im vergangenen Jahr nichts als Lügen hören müssen. Jetzt bin ich es leid. Ich will die Wahrheit wissen, sonst nichts.«
    Bernstein streifte die reglose Gestalt unter dem weißen Bettlaken mit einem mitleidigen Blick, ehe er leise die Tür des Krankenzimmers schloß. Auf dem Gang draußen nahm er den Arm der jungen Frau und stützte sie. Langsam ging er mit ihr in Richtung der Empfangshalle des Hospitals. Dann erst antwortete er:
    »Er stirbt, daran kann kein Zweifel bestehen. Wir haben Ihnen das nie verschwiegen, Mrs. Hills. Erinnern Sie sich nicht, was wir Ihnen immer gesagt haben?«
    »Ja, das tue ich.« Ihre Stimme klang bitter. Vor Bernsteins Zimmer blieben sie stehen, und sie zog ihren Arm aus dem seinen. »Und warum haben Sie mich holen lassen? Was ist mit der Droge, die Sie erwähnten?«
    »Dazu bin ich verpflichtet. Senopolin darf nur dann verabreicht werden, wenn der Patient dazu seine ausdrückliche Einwilligung gibt. Leider ist Ihr Gatte seit vier Tagen bewußtlos. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als Sie hierher zu bitten und Ihre Genehmigung einzuholen.«
    Er hatte die Tür geöffnet und gab ihr den Weg in sein Büro frei. Sie zögerte, dann trat sie ein. Er schloß die Tür und folgte ihr. Hinter seinem Schreibtisch nahm er Platz, nachdem Paula sich ebenfalls gesetzt hatte. Er nahm den Telefonhörer ab, zögerte und legte ihn wieder auf die Gabel zurück. Nervös wühlte er in einigen Akten, dann betrachtete er seine Hände, als habe er sie noch nie gesehen.
    »Senopolin ist eine sehr merkwürdige Droge«, begann er schließlich. »Ich selbst habe noch nicht viel Erfahrung in der praktischen Anwendung. Aber Sie werden schon genug darüber gehört haben, um zu wissen, welche Diskussionen bereits um das Mittel geführt worden sind.«
    »Nein«, flüsterte sie, »ich habe noch nie davon gehört. Es würde mich auch wohl kaum interessiert haben, seit Andy krank ist.«
    »Wie dem auch sei, Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der nun entscheiden kann, ob wir Ihrem Gatten die Droge geben dürfen oder nicht. Ich betonte schon, daß es sich um ein merkwürdiges Mittel handelt, aber soviel kann ich Ihnen mit Sicherheit verraten: im augenblicklichen Zustand Ihres Gatten kann es keinen Schaden mehr anrichten.«
    »Wird es ihm dann wenigstens guttun?«
    »Das«, seufzte Bernstein, »ist eine Frage der persönlichen Auffassung. An diesem Punkt beginnen bereits die Kontroversen und Widersprüche.«
    Mit kräftigen Ruderschlägen trieb er das Boot über den See, dann pausierte er. Er ließ die Hände in das kühle Wasser sinken und fühlte die Strömung, die allmählich schwächer wurde, bis das Boot bewegungslos auf der glatten Fläche schwamm. Paulas Hände lagen auf seinem Gesicht, und er nahm und küßte sie zärtlich. Als er seine Augen öffnete, sah er zu seinem Erstaunen, daß er nicht in einem Boot, sondern in einem Bett war. Das Wasser war der Regen, der gegen die Fenster trommelte, und die Trauerweiden am Ufer waren nichts als lange Schatten an den Wänden. Nur Paulas Hände waren wirklich vorhanden. Er spürte ihre Wärme.
    Er grinste.
    »Komische Sache, Paula. Für einen Augenblick glaubte ich, wir wären wieder am Fingersee. Erinnerst du dich an jene Nacht, in der unser Boot ein Leck bekam? Ich werde nie dein Gesicht vergessen, als deine Kleider naß wurden.«
    »Andy«, erwiderte sie leise. »Weißt du, was geschehen ist?«
    Er kratzte sich am Kopf.
    »Mir war so, als wäre eben Dr. Bernstein noch hier gewesen. Ich glaube, er hat mir wieder eine Spritze gegeben.«
    »]a, eine Droge, Andy. Kannst du dich nicht mehr erinnern?
    Eine neue Wunderdroge, es heißt, glaube ich, Senopolin oder so ähnlich. Der Doktor hat dir davon erzählt und gemeint, ein Versuch würde nie schaden.«
    »Doch, doch, jetzt entsinne ich mich.«
    Er setzte sich aufrecht ins Bett, als habe er das alle Tage getan. Es schien ihm keine Schwierigkeiten zu bereiten. Vom Nachttisch nahm er eine Zigarette und zündete sie an. Er zog ein paarmal und stieß den Rauch genußvoll aus, ehe er sich plötzlich bewußt wurde, daß er schon acht Monate lang nicht mehr im Bett gesessen, sondern nur gelegen hatte. Mit der freien Hand strich er prüfend über seine Rippen.
    »Der Haltegurt, Paula«, sagte er verwundert. »Wo, zum Teufel, ist der Gurt geblieben?«
    »Sie haben ihn
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