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Heyne Galaxy 01

Heyne Galaxy 01

Titel: Heyne Galaxy 01
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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an der Haltevorrichtung …
    Marty hatte genug gesehen.
    Lautlos zog er sich zurück, fand die Treppe und die Luftschleuse. Hinter ihm verstummte das Gemurmel der Menschen. Eine laute Stimme sprach so etwas wie ein Gebet. Die anderen fielen mit ein. Wieder ertönte Gesang.
    Marty kam sich vor wie in einem Traum. Es war ihm völlig egal, ob ihm jemand begegnete oder nicht. Es gab keine Gefahr mehr für ihn. Erst in der Luftschleuse kam er wieder zu sich. Er begann zu verstehen, und er wußte, daß das Unglaubliche Wirklichkeit war. Und doch – er wußte immer noch nicht alles.
    Draußen sagte er:
    »Hörst du mich, Laura? Ich bin wieder draußen. Noch eine Stelle muß ich mir ansehen, dann bin ich fertig.«
    Sie antwortete so schnell, daß er sie kaum verstand, aber er wußte, daß sie die ganze Zeit auf ein Lebenszeichen von ihm gewartet hatte. Ihre Sorge tat ihm gut.
    Das Taxi brachte ihn schnell bis zum Bug von Objekt X, fast fünfundvierzig Kilometer entfernt. Viel schneller jedenfalls, dachte er, als die Menschen da drinnen marschieren können. Und die Sonne war fern, klein und kalt.
    Ohne besondere Rücksichtnahme drang er zum zweitenmal in das Schiff ein. Im Bug fand er einen gewaltigen Metallblock und einen damit verbundenen Flaschenzug. Das würde genügen, rechnete er sich aus, die Kräfte von mehreren hundert Menschen zu vervielfachen, wenn sie bald wieder damit begannen, Objekt X der Sonne entgegenzuziehen.
    Er achtete auf seinem Rückweg auf die Kinder, die, von Frauen betreut, über die Galerie liefen. Eins sah ihn und lachte. Die Frauen drehten sich nicht nach ihm um.
     
    »Was also ist es wirklich?« fragte Laura.
    Sie hatte voller Ungeduld gewartet, bis er aus dem Raumanzug geklettert und sich geduscht hatte. In ein Badetuch gewickelt, kam er in die Kontrollzentrale der Clem und sah, daß sich seine eigene Ungläubigkeit im Gesicht seiner Frau widerspiegelte.
    »Menschen«, sagte er und setzte sich. »Menschen von der Erde – und sie leben.«
    »Und du irrst dich nicht?«
    »Nein, ich kann mich nicht irren.« Er berichtete ihr in allen Einzelheiten, was er gesehen hatte. »Es muß sich um die Nachkommen der einstigen Passagiere handeln, von denen ein Teil die Katastrophe überlebte. Warum sollten sie sterben? Luft gab es in dem Schiff da drüben immer, auch Lebensmittel und Wasser. Sie konnten alles selbst herstellen, solange eine Energiequelle vorhanden war. Licht, Wärme, Gravitation – sie hatten alles, was sie zum Leben brauchten. Alles, nur keinen Antrieb.«
    Er seufzte und ließ sich in den Sessel zurücksinken. Er schloß die Augen und wartete. Laura schwieg einige Sekunden, dann meinte sie:
    »Wenn sie eine Energiequelle haben, mußte es ihnen doch möglich gewesen sein, einen Hilfsantrieb zu konstruieren. Und wenn er noch so wenig Schub erzeugte! Ein Anstoß genügte, und das Schiff wäre ständig der Sonne entgegengefallen.«
    Marty dachte eine Weile darüber nach, dann nickte er.
    »Physikalisch gesehen stimmt das, aber ich glaube fast, sie wollten es nicht. Der Unterschied wäre auch nicht viel größer geworden – einige tausend Jahre früher oder später, das ist alles. Aber sie hätten keine Beschäftigung mehr gehabt, keine Arbeit, kein Lebensziel. Langeweile hätte sie alle umgebracht. Vielleicht hätten sie sich sogar gegenseitig umgebracht, wenn sie nicht ein System entwickelt hätten, das ihr Leben sinnvoll einteilte. Ihre Kinder, ihre Enkelkinder … alle werden nach diesem gleichen System leben, bis eines Tages …«
    Langsam stand er auf. Sie folgte ihm, als er zu dem Bildschirm ging und davor stehenblieb. Lange sahen sie beide auf das schwach schimmernde Metall von Objekt X, zweitausend Jahre alt und immer noch Leben bergend.
    »Eine so unvorstellbar lange Zeit«, murmelte Laura ergriffen. »Mein Gott, Ewigkeiten, die niemals enden …«
    »Sie leben nicht nur einfach so dahin, sondern sie gestalten ihr ganzes Dasein nach einem genau ausgearbeiteten Plan, der zweitausend Jahre alt ist. In einigen Stunden werden sie erneut mit ihrer Tagesarbeit beginnen. Sie werden den ersten Anker zum Bug des Schiffes zurückbringen. Bis sie das geschafft haben, ist Mittag. Inzwischen wird am Heck jemand den zweiten Anker lösen. Die Hauptgruppe wird am ersten Anker zu ziehen beginnen, und Objekt X gleitet erneut der fernen Sonne entgegen. Tag für Tag geschieht das nun, seit zweitausend Jahren. Tag für Tag kommen sie der Sonne um etwa fünfundvierzig Kilometer näher. Jene Menschen,
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