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Hexer-Edition 18: Endstation Hölle

Hexer-Edition 18: Endstation Hölle

Titel: Hexer-Edition 18: Endstation Hölle
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kartoffeln, zerbrochene Kisten und alte Lumpen, mit denen die Seemänner ihre wunden Handballen bedeckten, wenn sie sich in den Stürmen der Nordsee gegen den Wind stemmten und versuchten, die Segel straff und doch nicht überspannt zu halten.
    Irgendwo brannte eine einzelne Gaslaterne und markierte den Hofeingang von Benny’s Inn. Der Rest der Docks war in tiefe Finsternis getaucht.
    Die Themse schmatzte. Während der Flut stieg ihr Wasserspiegel um dreieinhalb Meter an. Dann lagen selbst die steinernen Treppen an den Anlegestellen unter Wasser. Bei Ebbe waren sie glitschig; kleine, algenüberzogene Kerben in den Kaimauern, auf deren Stufen sich so mancher betrunkene Seemann schon den Hals gebrochen hatte, bevor ihn die Fluten aufnahmen und hinaustrugen, an den Docks und an Greenwich vorbei bis zu den Leuchttürmen und dann hinaus ins offene Meer.
    Und es ging die Sage, dass so mancher von ihnen zurückgekehrt war – längst tot und doch lebendig …
    Der Nebel verdichtete sich weiter, bildete eine undurchdringliche Mauer aus Schweigen und Angst und eisiger Kälte. Wen er verschluckte, der war gefangen in einer fremden, unheimlichen Welt. Wen er wieder entließ, dem kam es vor, als sei ihm das Leben neu geschenkt worden. Der Nebel war finster in dieser Nacht. Es gab keinen Himmel über London und die Gebete der Frauen und Kinder hinter den windschiefen Fensterläden oder den zerbrochenen, notdürftig geflickten Scheiben wurden erbarmungslos von dem feuchten Dunst verschluckt, noch ehe sie den Allmächtigen erreichen konnten.
    Der Nebel nahm alles in sich auf. Er war wie ein Grab und er schwieg über alles, was in seinem feuchten Mantel vor sich ging. Der Nebel war der engste Verbündete des Todes.
    Besonders in dieser Nacht.
    Niemand bemerkte das Brodeln unterhalb der Tower Bridge. Nicht einmal die Matrosen der Handelsschiffe, die sich zaghaft durch den Nebel tasteten oder an den Kaimauern vertäut lagen, wurden aus ihrer Schläfrigkeit gerissen, in der sie die Zeit der Wache auf dem Vor- und Achterdeck verbrachten. Sie saßen oder standen in klamme Decken eingehüllt und das einzige Geräusch, das sie vernahmen, war das Klappern ihrer eigenen Zähne.
    An den steinernen Säulen der Brücke, umrahmt von stählernen Baugerüsten, begann es, heftiger zu brodeln. Die dampfende Oberfläche des Wasser geriet in Wallung. Blasen stiegen auf, groß und stinkend. Sie verteilten sich und bildeten dunkle Flecken in der Nebelwand. Die Themse kochte, kochte in einem Umkreis von zwölf Yards, und die Erscheinung bewegte sich langsam von der Brücke weg und auf die Docks zu.
    Etwas glitt durch das Wasser, eine schwarze, nicht fassbare Erscheinung, ein entsetzliches Ding, das die Dunkelheit und den Nebel benutzte, um ungesehen an sein Ziel zu gelangen. Es bewegte sich südostwärts an der Pier entlang und schwenkte dann in den engen Kanal ein, der in das St. Katharina Marina Dock führte. Es driftete in das Westbassin hinein, auf die schmalen Treppen unterhalb des Main Trade Center zu. In Ufernähe angelangt, kam es zur Ruhe. Das Brodeln verschwand, nur die stinkenden Blasen stiegen weiterhin auf.
    Dann, plötzlich, breiteten sich nach allen Seiten hin hektische Wellen aus. Sie schlugen verlangend gegen die Stufen und erzeugten klatschende Geräusche.
    Der Nebel über dem Wasser riss für ein paar Augenblicke auseinander. Doch niemand sah, was in diesen Sekunden aus dem brackigen Wasser stieg.
    In einer solchen Nacht sagte der Volksmund, waren nur Bösewichte unterwegs und Betrunkene. Oder der Tod …
     
    In der East Smithfield waren drei der fünf Gaslaternen erloschen. Der Nebel hatte sie mit seiner Feuchtigkeit heimtückisch erstickt. Die beiden restlichen befanden sich etwa dreihundert Yards voneinander entfernt und ihr trübes Licht reichte nicht aus, um die Hand vor Augen erkennen zu lassen.
    Professor James Moriarty ließ ein ungnädiges Brummen hören. Er ging leicht nach vorn gebeugt, um einem zufällig mit einer Handlaterne entgegenkommenden Passanten keine Möglichkeit zu geben, sein Gesicht zu erkennen. Er trug einen dunklen Anzug und einen schwarzen Capemantel, den er mit der linken Hand vorn zusammengerafft hielt. Seine Rechte umklammerte den Stock, den ein Mann seines Standes stets bei sich trug.
    Irgendwo schlug eine Tür. Das Geräusch klang dumpf in der alles verschluckenden Feuchtigkeit. Die lauten Stimmen, die aufklangen, hörten sich wie das Gewinsel geprügelter Hunde an. Dann herrschte wieder Ruhe. Nur das
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