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Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Beine frei waren, konnte sie auch die Stricke abstreifen, die sie am Boden des Bootes gehalten hatten. Mit der Kraft der Verzweiflung warf sie sich herum, schüttelte die Hanfschnüre ab und hob die gefesselten Hände an den Mund. Wie besessen zerrte sie mit den Zähnen an ihren Fesseln, riss sich dabei die Lippen blutig und spürte den Schmerz nicht einmal.
    Irgendwo hinter ihr erscholl ein helles, lang anhaltendes Platschen.
    Jennifer erstarrte. Ihr Herz schien für eine schreckliche, endlose Sekunde auszusetzen und dann schneller und unrhythmisch weiterzuhämmern. Entsetzt fuhr sie herum. Ein heller, halb erstickter Schrei kam über ihre Lippen, während der Blick ihrer geweiteten Augen über den See raste. Die Nacht war vollends hereingebrochen und der See erstreckte sich wie eine Ebene aus stumpfem Silber vor ihr, tausende Mal größer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Schatten huschten über seine Oberfläche und plötzlich waren da Wellen, die nicht sein durften, eine Bewegung, die anders und machtvoller war als die des Windes. Etwas am Schaukeln des Bootes änderte sich, der See schien zu beben und mit einem Male spürte sie, wie sich etwas Großes, unglaublich Machtvolles dem Boot näherte.
    Jennifer schrie. Plötzlich war der Rest ihrer Selbstbeherrschung dahin, alles, was sie noch empfand, waren Angst und Grauen und eine Panik, die jeden vernünftigen Gedanken erstickte. Er war da!
    Das Boot erzitterte, als irgendetwas unten gegen seinen Rumpf stieß. Jennifer schrie abermals, stemmte sich in die Höhe – und ließ sich über die Bordwand fallen.
    Das Wasser schlug wie eine eisige Decke über ihr zusammen. Sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde, im gleichen Moment, in dem sie ins Wasser eintauchte und die Kälte fühlte. Sie war eine ausgezeichnete Schwimmerin, aber ihre Hände waren noch immer gefesselt und das Wasser war so kalt, dass sich jeder einzelne Muskel in ihrem Körper zu verkrampfen schien.
    Blindlings warf sie sich herum, strampelte mit den Beinen und bekam den Kopf über Wasser. Sie wollte atmen, aber die Kälte lähmte sie. Ihr Mund stand weit offen, aber sie bekam keine Luft und die schwarze Tiefe unter ihr schien sie herabzuziehen wie eine unsichtbare Faust.
    Und dann berührte etwas ihren Fuß.
    Die Berührung brach den Bann. Jennifer schrie auf, bekam für eine halbe Sekunde Luft und tauchte abermals unter. Bitter schmeckendes, eisiges Wasser drang in ihren Mund. Sie kam mit einer verzweifelten Anstrengung noch einmal an die Wasseroberfläche.
    Das Ufer lag wie ein schwarzer Tuschestrich in der Nacht vor ihr, Meilen entfernt, wie es ihr vorkam. Vielleicht nur ein paar hundert Fuß in Wirklichkeit, aber genauso gut hätten es zehntausend Meilen sein können. Ihre Kräfte erlahmten bereits. Die aneinander gebundenen Hände schienen sie wie Zentnerlasten in die Tiefe zu zerren und die Kälte kroch auf unsichtbaren Spinnenbeinen in ihren Körper. Selbst wenn ihre Hände nicht gefesselt gewesen wären, würde sie ertrinken, lange bevor sie das rettende Ufer erreichte.
    Und trotzdem erschien ihr dieser Gedanke mit einem Male verlockend. Vielleicht war es besser so. Ein schneller Tod, eine Minute der Agonie, nach der sie in das große Vergessen sinken würde, seinem Zugriff und dem Schrecken, den er für sie bereit hielt, entzogen. Vielleicht war der Tod die Erlösung, die einzige Flucht vor ihm, die ihr blieb.
    Es kostete sie all ihre Kraft, es zu tun. Sie hatte nicht geglaubt, dass es so schwer sein würde. Aber sie hatte auch nicht geglaubt, dass sie den Mut aufbringen würde.
    Sie atmete aus, hob die Hände aus dem Wasser und über den Kopf und ließ sich in die Tiefe sinken.
    Dunkelheit und Kälte umgaben sie wie ein schweigendes Grab. Sie spürte, wie sie in die Tiefe sank, tiefer und tiefer hinab in das eisige Schweigen des Sees, wie das Wasser in ihren Mund und ihre Nase drang. Farbige Kreise erschienen vor ihren Augen und irgendwo in ihrer Brust erwachte ein sonderbares Gefühl der Endgültigkeit. Fast fühlte sie Triumph. Sie würde sterben, aber sie war ihm entkommen.
    Plötzlich war etwas neben ihr. Etwas Großes, das unsichtbar hinter der Schwärze des Wassers gelauert hatte, und plötzlich fühlte sie sich gepackt und in die Höhe gerissen. Eine weiche, starke Hand schmiegte sich um ihren Hals, zerrte sie nach oben und zwang ihren Kopf über die Wasseroberfläche. Sie sah nichts, nichts außer kochendem Wasser und Schatten, die ihrer eigenen Phantasie entsprangen, aber sie
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