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Hexentochter

Hexentochter

Titel: Hexentochter
Autoren: Nancy Holder , Debbie Viguié
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Kirchenglocken ihre Botschaft: Alles ist gut, alles ist ruhig.
    Und das war eine verdammte Lüge.
    Jer: Insel Avalon, im Oktober
    Die Lüge bestand darin, ihn als lebendig zu bezeichnen.
    Jeder Augenblick dieses Lebens war eine Ewigkeit der Qual. Jeder Atemzug fühlte sich an, als heize ein Blasebalg in seiner Brust die Flammen des Schwarzen Feuers an, die sein Herz und seine Lunge verbrannten.
    Wenn Jer Deveraux zu einem zusammenhängenden Gedanken fähig gewesen wäre, hätte er Gott angefleht, ihn sterben zu lassen. Und unter diesem Flehen hätte sich zitternd die Furcht verborgen, er sei schon tot... und in der Hölle.
    Durch seinen schmerzenden Schädel hallten Worte, die er nicht verstehen konnte. Sie erzählten die restliche Geschichte seiner unerträglichen Existenz: »Wenn du Holly Cathers nicht bis zur Mittsommernacht getötet hast, Michael, dann töte ich deinen Sohn und verfüttere seine Seele an meine Diener.«
    Und Michael Deveraux hatte geantwortet: »Ich folge Eurem Befehl in dieser Sache wie in allen anderen Dingen.«
    Auf ihrem Platz im schimmernden blauen Nebel, aus dem die Magie der Cahors bestand, sträubte das Falkenweibchen Pandion das Gefieder und neigte lauschend den Kopf. Sie hörte einen flehenden Ruf wie von einem Gefährten und breitete die Flügel aus, um sich auf die Suche nach ihm zu machen.
    Und in dem grün glimmenden Äther seines Horstes schärfte der Bussard Fantasme, das Hexentier der Deveraux, seine Klauen am Schädel eines längst verstorbenen Feindes.
    Holly und Amanda: Seattle, im Oktober
    Wir leben noch. Fast ein Monat ist vergangen, seit der Bussard in unserem Kreis erschien, und wir haben es geschafft, uns Michael Deveraux vom Leib zu halten.
    Holly starrte aufs Meer hinaus und nahm dessen gewaltige Weite in sich auf, ließ sich davon verschlingen, bis sie sich wieder winzig klein fühlte. Ihre einsamen Strandspaziergänge verliehen ihr Kraft. Manchmal fragte sie sich, ob Isabeaus Geist mit ihr ging und sie in ihrem Bemühen unterstützte, den Coven zusammenzuhalten und vor Michael Deveraux zu beschützen. Im Herzschlag der Wellen, in Ebbe und Flut der riesigen See lag Macht. Der Ozean war Mutter, Geliebte und Feindin zugleich. Das sanfte, rhythmische Rauschen der Wellen klang wie der beruhigende Herzschlag einer Mutter, die ihr Kind an die Brust drückte.
    Holly schloss die Augen und erlaubte sich, ganz diesem Geräusch zu lauschen. Sie atmete die frische, salzige Luft ein, und einen Moment lang hätte sie überall sein können - sogar in ihrer alten Heimat San Francisco statt ihrem neuen Zuhause, Seattle.
    Tränen quollen unter ihren geschlossenen Lidern hervor und rannen ihr langsam über die Wangen. Dies war kein guter Tag gewesen. Jeder Tag, den man mit einem Anruf bei seinem Anwalt beginnen musste, konnte kein guter Tag sein.
    Holly war erst neunzehn, und dennoch war der Kontakt zum Anwalt ihrer Eltern ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Zusätzlich musste sie sich auch noch mit dem Finanzberater herumschlagen, der ihr half, ihr Erbe zu verwalten, und manchmal hätte sie am liebsten geschrien. Es gab immer noch mehr Fragen zu beantworten und Dokumente zu unterschreiben. Sie wollten Hollys finanzielle Lage und ihre Zukunftsplanung besprechen.
    Was, wenn ich gar keine Zukunft habe? Was, wenn ich morgen sterbe?, dachte sie, und eine Woge von Bitterkeit raubte ihr den Atem. Ich kämpfe um mein Leben, um das Leben meiner Familie und meiner Freunde, und niemand kapiert es. Ich habe keine Zeit, mir Gedanken darum zu machen, was ich in fünf Jahren tun will. Bis dahin gibt es mich wahrscheinlich gar nicht mehr.
    Trotzdem wusste sie, dass sie dankbar sein sollte. Wenn ihre Eltern nicht so vorausschauend geplant hätten, hätte sie keine Zeit, Zauber zu üben und all die praktischen Dinge zu lernen, die ihr halfen, am Leben zu bleiben. Sie wäre zu sehr damit beschäftigt, sich ihre Brötchen zu verdienen. Diese Unabhängigkeit war vor allem jetzt wichtig, da Onkel Richard nicht einmal mehr so tat, als ginge er zur Arbeit. Ein Glück, dass Tante Marie-Claire reich gewesen war, denn sonst würde auch Amanda in ernsthaften Schwierigkeiten stecken.
    In gewisser Weise beneidete sie Kari. Die junge Frau konnte zumindest noch so tun, als hätte sie ein normales Leben, das nicht nur aus Magie und Zaubern bestand. Sie ging nach wie vor zur Uni. Tommy und Amanda versuchten ebenfalls zu studieren. Aber Holly wusste, dass Amanda hart zu kämpfen hatte. Holly nahm an, dass das
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