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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Annegrit Arens
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Nachtcreme weggelassen, die Till eklig fand, und ihr Nachthemd hatte sie auch nicht angezogen. Sie war nackt unter die Bettdecke geschlüpft, er hatte ihr dabei zugesehen. Nichts!
    Du kannst mich! Kreuzweise! Die Erinnerung an diese Szene trieb ihr noch jetzt die Röte ins Gesicht. Ich gammle rum, beschloß sie, einfach so, mache ein bißchen in Schönheit. Sie zog das Riesenshirt mit dem Porträt von Phil Collins über den Kopf, legte seine neue CD auf, und während in der Küche der Kaffee durchlief, kramte sie in ihrer Kosmetikkiste nach dem teuren Gesichtspeeling. Sie hatte es schon vor fünf Monaten zum Geburtstag bekommen, aber sie hatte noch keine Zeit gehabt, es zu benutzen. Heute, dachte sie, und die Nägel lackiere ich mir auch. Das tat sie fast nie, »Blutkrallen«, hatte Till beim letzten Versuch gemeint. Der Lack hatte ihre Nagelhaut zu einem dunkelroten Wulst gemacht, sie war nicht geübt genug. Diesmal würde sie sich viel Zeit lassen.
    Als das Telefon klingelte, hatte sie sich gerade mit ihrer Bechertasse voll Kaffee, randvoll und ohne Untertasse, an den Eßtisch gesetzt und das Arsenal für ihre Schönheitspflege auf der Granitplatte ausgebreitet. So früh, dachte sie und klappte den Hörer des portablen Telefons auf. »Liebold«, meldete sie sich, ihre Stimme mußte ziemlich lustlos klingen.
    »Anna? Mädchen, bist du’s?« Onkel Tillys Stimme dröhnte, am Telefon fiel ihr das immer besonders auf. Sie hielt den Apparat ein Stück von ihrem Ohr weg. »Ja«, antwortete sie, »ich bin’s.«
    »Ist Till etwa noch da?«
    »Nein. Wieso?«
    »Es ist so laut bei dir.«
    »Die Musik. Einen Moment.« Sie stand auf und suchte nach der Fernbedienung, bei Tills neuer Anlage ging nichts mehr von Hand. »So«, sagte sie, das Ding hatte im Bücherregal gelegen, »ist es besser so?«
    »Viel besser! Und wie geht es dir sonst?«
    Anna war sich nicht sicher, wie er das meinte. »Gut«, sagte sie zögernd.
    »Wirklich?«
    »Ja! Wieso?«
    »Es ist dumm, daß Till ausgerechnet am Sonntag weg muß. Du wirst dich langweilen.«
    »Halb so wild. Und nochmals danke für die Münze.«
    »Hast du sie dir einmal genauer angesehen?«
    »Wie? Ach so! Ja, hab ich.« Das war glatt gelogen, aber Anna war froh, ihn von dem Thema »Till« weggelotst zu haben. Außerdem schien er dieses »Ja« von ihr zu erwarten.
    »Die Münze ist aus meiner Sammlung. Halte sie in Ehren, Mädchen. Ob diem felicissimum «, er lachte dröhnend.
    Anna war sich nicht sicher, ob das nun die Inschrift auf der Münze war, es mußte jedenfalls etwas mit einem sehr glücklichen Tag zu tun haben. »Es ist ein wunderbares Geschenk, Onkel Tilly«, antwortete sie ausweichend.
    »Und was sagt Till dazu? Zu deinem Erfolg, meine ich. Er tut sich schwer mit manchen Dingen.«
    »Ja, das stimmt.« Anna schluckte, soviel Verständnis hätte sie Tills Patenonkel nicht zugetraut. »Aber es ist kein Problem«, fügte sie hastig hinzu. »Es ist nur alles etwas ungewohnt. Till ist daran gewöhnt, daß ich zu Hause bin.«
    »Ja, ja, er fürchtet um seine Bequemlichkeit. Wie alle Männer.« Er lachte dröhnend.
    Diesmal zuckte Anna nicht zurück. Sie lachte auch, leise. »Und du, Onkel Tilly?«
    »Ich bin eine Ausnahme. Also, grüß den Jungen und halt die Ohren steif!«
    Komisch! Anna rührte in ihrer Bechertasse und trank. Der Kaffee war kalt geworden, sie mochte keinen kalten Kaffee, trotzdem trank sie weiter. Komisch, aber auch schön, dachte sie, als hätte der alte Knurrhahn ihr eben versteckt Rückendeckung signalisieren wollen. Sie griff in den Brotkorb, plötzlich hatte sie Hunger. Sie würde sich einen rundum gemütlichen Tag machen, mampfend und schmökernd und vor allem relaxed. Es hatte keinen Zweck, sich über Till aufzuregen. Er hatte ein Tief, das mit ihrem Hoch zusammenhing. Besser als umgekehrt. Zehn Jahre lang hatte Till Pluspunkte gesammelt, wenigstens die sichtbaren. Plötzlich war es ihr unbegreiflich, wie sie sich so lange damit hatte zufriedengeben können, nur herumzupuseln und nichts richtig anzupacken.
    Wieder klingelte das Telefon. Diesmal hatte sie den Mund halbvoll. »Liebold«, nuschelte sie.
    »Bist du erkältet?« Ihre Schwiegermutter zählte Hausmittel gegen Erkältetsein auf, während Anna schluckte und dann hustete. »Mir fehlt nichts, Juliane«, keuchte sie schließlich.
    »Sag das doch gleich«, und ohne Überleitung fuhr sie fort: »Es war ein sehr schöner Abend gestern, Anna, sag das auch Till, ist er schon weg? und grüß ihn schön,
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