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Hexenjagd in Lerchenbach

Hexenjagd in Lerchenbach

Titel: Hexenjagd in Lerchenbach
Autoren: Stefan Wolf
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„Sicherlich auf seine Weise ein tüchtiger Mann. Aber
engstirnig, verbohrt — und mich haßt er. Weil ich damals vor Gericht ausgesagt
habe. Gegen seinen Sohn Harry. Der alte Jocher hat zwei Söhne: Max und Harry.
Harry ist schon 26 — und ein übler Typ. Zwei Jahre ist es her, da hat er ein
kleines Mädchen — kaum elf Jahre alt — in den Wald gelockt und sich... nun, es
war ein Sittlichkeitsverbrechen. Ich kam dazu, als ich Pilze suchte und durch den
Wald streifte. Harry Jocher türmte, aber ich hatte ihn erkannt. Vor Gericht
hing dann alles von meiner Aussage ab. Der alte Jocher bot mir Geld, damit ich
sie zurückziehe. Ich habe ihn rausgeworfen. Harry wurde verurteilt und sitzt
noch im Gefängnis. Seitdem verfolgt Jocher mich mit seinem Haß. Er ist
rachsüchtig. Noch dazu grenzt mein Grundstück an Jochers. Ständig wohne ich
erst seit Anfang des Jahres im Dorf. Und in der Zeit hatte ich was auszustehen!
Es wird immer schlimmer. Es spitzt sich zu. Aber ich gebe nicht klein bei. Ich
nicht!“
    „Das ist ja ein Hammer!“ meinte Tarzan.
„Und da denkt man immer, in einer Dorfgemeinschaft gibt’s nur
Nachbarschaftshilfe und fröhliches Miteinander. Jedenfalls ist mir jetzt klar,
weshalb Max Jocher auf Sie geschossen hat.“
    „Empörend!“ Gabys Augen blitzten. „Haben
Sie überhaupt keine Hilfe im Dorf?“
    „Niemanden.“ Helga lächelte kläglich. „Ich
war, wie gesagt, zu lange weg, als daß es zu irgendwelchen Freundschaften
gekommen wäre. Sicherlich gibt es diesen oder jenen, der insgeheim mit mir
sympathisiert. Aber keiner wagt, gegen Erwin Jocher — das ist der Alte — aufzumucken.“
    „Vielleicht sehen wir den Kerl“, sagte
Tarzan ergrimmt, „wenn wir Sie morgen besuchen.“
    „Ich freue mich schon auf euch. Kommt
so früh wie möglich. Das Wetter soll schön bleiben. Und da ihr mir im Garten
helfen wollt... Für Klößchen habe ich sogar Schokolade besorgt.“
    „Nur nicht zuviel“, lachte Tarzan, „sonst
platzt er.“
    Dann sprachen sie von anderen Dingen:
von der Schule, der Klassengemeinschaft und dem bevorstehenden Sportfest — auf
dem Tarzan, wie gewohnt, wieder die meisten Siegerurkunden einheimsen würde,
obwohl seine Spezialdisziplin, Judo, nicht auf dem Programm stand.
    Als es dann dunkel wurde unter den
Kastanien und auf den Tischen kleine Windlichter flackerten, brachen sie auf.
    Ihre Wege trennten sich, weil sie in
verschiedene Richtungen mußten.
    Tarzan brachte Gaby nach Hause — wie
immer, wenn sie nach Anbruch der Dunkelheit unterwegs waren.
    Helga sagte, sie werde noch einen
Schaufensterbummel machen, bis zum Rathaus, wo ihr Wagen stand.
    Die Kinder bedankten sich und
versprachen, morgen am frühen Vormittag zu Helga zu kommen.
    „Mein Problem ist nur“, lachte Tarzan, „daß
ich Klößchen aus dem Bett kriege. Am Wochenende ist sein Schlafbedürfnis besonders
groß.“
    „Das haben die Beleibten so an sich“,
erwiderte Helga lächelnd.
    Später, als die Kinder in Richtung
Altstadt radelten, meinte Gaby: „Sie ist richtig nett, einfach fabelhaft,
besonders, wenn man sie näher kennt. Direkt wie eine ältere Schwester.“
    „Stimmt!“ nickte Tarzan. „So eine wie
Helga hätten wir zwei Einzelkinder uns als Schwester nur wünschen können.“

2. Hilferuf in der Nacht
     
    In der Hauptstraße, einer Prachtstraße,
reihte sich Geschäft an Geschäft, Boutique an Boutique. Alle Schaufenster waren
erleuchtet, und wer hier — im verkehrsverdünnten Stadtbezirk — bummelte, konnte
sich satt sehen.
    Helga hatte Zeit. Niemand wartete auf
sie — außer ihren Tieren zu Hause. Aber die waren nicht anspruchsvoll — handelte
es sich doch um etwas seltsame Haustiere, solche, denen ihr Interesse als
Biologielehrerin galt. Denn daß sich jemand Terrarien (Behälter) für
Blindschleichen, Kreuzottern und Spinnen hält, ist im allgemeinen nicht üblich.
Helga aber schrieb an einer wissenschaftlichen Arbeit und studierte die
Lebensweise dieser Kriech- und Krabbeltiere.
    Im Moment freilich konzentrierte sich
ihr Interesse auf eine Boutique mit schicken Sommerkleidern. Angetan war sie
auch von dem grünen Bikini, den Sandalen aus Italien und einer entzückenden
Tasche.
    Langsam schlenderte sie von Geschäft zu
Geschäft.
    Es war dunkel geworden, der Himmel
pechschwarz. Der laue Wind wurde heftiger, bog die Zweige in den Vorgärten und
wirbelte Staub auf. Nur noch wenige Leute spazierten durch die Straßen.
    Vor einer Bar, aus der gedämpftes Licht
fiel, standen zwei
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