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Hexe auf leisen Sohlen

Hexe auf leisen Sohlen

Titel: Hexe auf leisen Sohlen
Autoren: Carter Brown
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Schauspieler,
Daniel?« wiederholte Nicholas Charitys Frage.
    »Ich bin Gelegenheitsarbeiter«,
erwiderte ich. »Es würde Sie überraschen, was für seltsame Aufgaben sich
gelegentlich dabei ergeben.«
    »Was halten Sie von
Shakespeare?« fragte Adele hastig. »Gefallen Ihnen seine Stücke?«
    »Ich weiß nicht«, gestand ich,
»ich bin noch nie in einer Aufführung gewesen.«
    »Typisch für unser Publikum«,
murrte Vernon Clyde vor sich hin.
    »Das Publikum hat völlig
recht«, sagte Adele boshaft. »Jedenfalls, wenn Loise Lee die Königin spielt.«
    »Sei nicht so verbittert, meine
Süße«, meinte Nicholas gutmütig. »Du weißt doch, daß dich deine Bühnenerfahrung
in Musicals nicht gerade für eine Rolle prädestiniert hat, die eine stark
dramatische Schauspielerin erfordert.«
    »Und du weißt verdammt gut, daß
ich in meinem ganzen Leben nicht einmal in einem Musical aufgetreten bin«,
erwiderte Adele scharf. »Ich habe Komödien gespielt, und ich habe sie gut
gespielt. Ich bin eine gute Schauspielerin, aber du bist nun einmal
entschlossen, mir keine Chance zu geben.«
    »Ich hätte gleich wissen
sollen, daß es nicht gut geht, wenn man eine Kollegin heiratet.« Nicholas
schüttelte betrübt den Kopf. »Meine erste Frau war Handelsvertreterin — ein
Juwel. Jetzt habe ich mich mit einem Mannweib vom Theater eingelassen.«
    »Du wolltest mich die Rolle
nicht einmal auf der Probe lesen lassen«, erwiderte Adele schroff.
    »Ich konnte es einfach nicht
mit anhören, meine Liebe«, sagte Nicholas leichthin. »Aber jetzt haben wir genug
davon, glaube ich. Als nächstes wirst du noch von mir verlangen, daß ich Aubrey
den Horatio spielen lasse.« Er lachte schallend über seinen Einfall, während
das Gesicht seines Sohnes fleckig wurde.
    »Bitte!« Vernon Clyde hob eine
schlaffe Hand in die Luft. »Keine Familienstreitigkeiten, jedenfalls jetzt
nicht. Jeden Augenblick muß Chamb eintreffen, und
dann müssen wir wie eine glückliche Familie aussehen, in der nicht jeder einem
anderen Arsenik ins Glas schütten möchte.«
    »Der Löwe und das Lamm«, sagte
Nicholas langsam. »Wenn wir uns zusammensetzen, habe ich das Gefühl, als
spielte ich seine Rolle.«
    »Sei nett zu ihm, Nicky«,
flehte Clyde mit keuchender Stimme. »Ich habe weitere
Fünfzehntausend aus ihm herausgepreßt . Vergiß also
nicht, daß er der Engel ist, der die Aufführung finanziert.«
    »Mit so einem Gesicht, wie er
eins hat, kann ihn kein Mensch einen Engel nennen«, antwortete Nicholas.
»Jedenfalls sollte er sich Mühe geben, nett zu mir zu sein. Es geht doch um
sein Geld, oder nicht?«
    »Mein Gott«, stöhnte Clyde
hoffnungslos und griff nach seinem Glas.
    »Wenn Sie wollen, werde ich
nett zu ihm sein«, versprach Charity mit vor Begeisterung gerötetem Gesicht
bereitwillig. »Ich meine, wenn es der Aufführung hilft, und ich selbst wäre um
eine wichtige Lebenserfahrung reicher — oder nicht?« Sie schloß einen
Augenblick die Augen. »Ich werde es in Indigo spielen«, sagte sie dann
träumerisch, »mit einem Tupfen Scharlach am Rand.«
    Nicholas sah den
verständnislosen Ausdruck auf meinem Gesicht. »Das war wieder die Methode«,
sagte er. »Sie kümmern sich nicht mehr um die Anmerkungen des Autors oder um
seinen Text; sie sehen eine Rolle in Farben. Und wenn Sie das für verrückt
halten, Daniel, dann lassen Sie sich von mir bestätigen: es ist verrückt.«
    Charity öffnete wieder die
Augen, und der Ausdruck eines beleidigten kleinen Mädchens trat auf ihr
Gesicht. »Ich wollte doch nur helfen.«
    »Lassen Sie´s lieber«, sagte Clyde mürrisch, »wir haben so schon genug Ärger.«
    Da ich sah, daß mir niemand
mein leeres Glas abnehmen würde, ging ich damit zur Bar hinüber. Nicholas
füllte es mit geübter Hand. »Für Sie muß das schrecklich sein, Daniel«, sagte
er dabei. »Lernen Sie eigentlich zum erstenmal das häusliche Leben eines
Schauspielers kennen?«
    »Ich finde es nicht
erschütternd«, antwortete ich ihm.
    »Was kann er schon vom Leben
wissen?« fragte Charity verächtlich, »vom wirklichen Leben? Als
Gelegenheitsarbeiter.«
    »Eine ganze Menge mehr als der
Haufen Übergeschnappte, in dessen Gesellschaft ich mich jetzt befinde«, sagte
ich gelassen. »Auf der Bühne, na schön, da können Sie die Leute glauben lassen,
was Sie täten, sei beinahe wahr. Aber ohne die Schminke und das Rampenlicht,
was bleibt da übrig? Nichts!«
    »So habt Ihr Euer Urteil schon
gebildet, Daniel?« krähte Nicholas wie ein verwundeter
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