Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexe auf leisen Sohlen

Hexe auf leisen Sohlen

Titel: Hexe auf leisen Sohlen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
anlaufen würden. Er hielt sich nicht einmal damit auf,
anzuklopfen. Er kam einfach herein und stieß die Tür mit dem Fuß hinter sich
zu.
    Er war groß und unter einem
Anzug von Brooks Brothers ordentlich gebaut. Sein Gesicht konnte man beinahe
schmal nennen, mit einer asketischen Nase. Die Blässe seiner blauen Augen
gefiel mir ebensowenig wie der schmale Schnitt seiner
Lippen. Aber das Aussehen anderer Männer hat mich nie sonderlich interessiert.
    Ich zündete eine Zigarette an
und beobachtete ihn, wie er zu dem Sessel ging, den Mrs. Blair vor kurzem erst
geräumt hatte. Er ließ sich hineinfallen und betrachtete mich kalt. Ich
erwiderte seinen Blick ebenso kalt, und damit verbrachten wir über fünfzehn
Sekunden, ehe ich schließlich fragte: »Na schön, was soll´s?«
    »Sie sind doch neu in diesem
Gewerbe, Mr. Boyd?« fragte er. Seine Stimme war hoch und leicht mißtönend .
    »Ganz richtig«, stimmte ich zu.
»Aber was mir an Erfahrung fehlt, mache ich durch Begeisterung wett.«
    »Begeisterung kann eine
gefährliche Sache sein, Mr. Boyd, wenn man sich von ihr zu weit hinreißen
läßt.«
    Ich sah ihn voll unverhohlener
Bewunderung an. »Sagen Sie mal«, sagte ich atemlos, »damit haben Sie wirklich
recht. Sie heißen doch wohl nicht zufällig Konfuzius?«
    »Auch Sinn für Humor kann von
Vorteil sein«, sagte er, ohne seinen Ausdruck zu ändern. »Ich hoffe, Sie werden
über das, was ich Ihnen jetzt sage, lächeln können, Mr. Boyd.«
    »Ich will´s versuchen«, sagte
ich ernst. »Ich verspreche es Ihnen.«
    Er stand auf und kam, ohne sich
anscheinend zu beeilen, auf den Schreibtisch zu, aber er war erschreckend
schnell da. Er beugte sich vor, bis seine Fischaugen nur noch sechs Zoll von
meinen entfernt waren. »Vor ein paar Minuten sprachen Sie mit der
Schauspielerin«, sagte er. »Was wollte sie von Ihnen?«
    »Der Schauspielerin?« fragte
ich überrascht.
    »Adele Romain«, sagte er
ungeduldig. »Oder hat sie sich Ihnen als Mrs. Nicholas Blair vorgestellt?«
    »Hoffentlich gefällt Ihnen, was
Sie jetzt hören werden, Konfuzius«, antwortete ich. »Schaffen Sie Ihre
neugierige Nase aus meinem Büro mit allem, was dazugehört, ehe ich Sie
hinausfeuere.«
    »Adele verkehrt in besten
Kreisen«, erwiderte er kalt. »Für einen Gauner Ihrer Sorte viel zu hoch, Boyd.
Dabei können Sie sich nur weh tun. Und zwar schlimm. Wenn sie Ihnen Geld gegeben
hat, dann behalten Sie es. Vergessen Sie nur, daß Sie ihr je begegnet sind,
nachdem Sie den Scheck kassiert haben. Sie wird Sie deswegen nicht belästigen.
Das kann ich Ihnen versprechen.«
    »Wenn Sie ihr Vermögensberater
sind, wird es Zeit, daß sie ihn wechselt«, sagte ich. »Und weshalb haben Sie
eigentlich nie den Stimmbruch hinter sich gebracht?«
    »Ich warne Sie. Lassen Sie die
Finger von dieser Frau. Aber ich sehe schon, ich muß Sie überzeugen, daß es mir
Ernst ist, Boyd«, sagte er leise. Der Gedanke schien ihn zufriedenzustimmen.
    »Haben Sie auch mein Horoskop
mitgebracht?« fragte ich. »Ah, jetzt verstehe ich, Sie sind ja gar nicht
Konfuzius, Sie sind Taurus, der Stier.«
    Ich hatte ihn nicht sonderlich
ernst genommen, und das war mein Fehler. Er zog seine rechte Hand beiläufig aus
der Tasche, dann schlug er mir genau zwischen die Augen. Mein Sessel kippte
hintenüber, und ich fiel mit. Ich lag auf dem Boden und fragte mich unsicher,
ob der rote Nebel vor meinen Augen aus Kalifornien importiert worden wäre. Mir
wurde nicht die Möglichkeit gelassen, lange darüber nachzudenken.
    Seine Finger krallten sich in
den Kragen meines Hemdes. Er zerrte mich auf die Knie und schlug mir dann
wieder auf die gleiche Stelle, wirkungsvoll, leidenschaftslos, genau zwischen
die Augen. Der Messingschlagring verlieh seiner Faust die Wucht des Hinterhufs
eines Maultiers.
    Das Leben war ein dunkler
Teich, und ich lag auf seinem Grund im Schlamm. Tausend Fuß über mir zeigte
sich an der Oberfläche ein schwacher Schimmer. Ich schwamm darauf zu, und nach
tausend Jahren erreichte ich ihn. Dann öffnete ich die Augen.
    Ich brauchte ein paar Minuten,
um auf die Knie zu kommen, und vielleicht sind noch weitere fünf Minuten
verstrichen, ehe ich mich auf die Füße stellen konnte, wobei ich mich auf die
Platte des Schreibtischs stützte.
    Konfuzius war verschwunden. Ich
befand mich allein in meinem Büro.
    Mitten auf dem neuen Teppich
stand eine große Tintenpfütze. Das weiße Leder meines eigenen und der beiden
Besuchersessel war mit tiefen Schnitten eines scharfen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher