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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit
Autoren: Randy Susan Meyers
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auf sie zu.
    »Geh zu deiner Mutter.« Mama klang jetzt eher wütend als ängstlich. »Werd erst mal nüchtern.«
    »Glaubst du, ich gebe dir Geld, damit du deinen Liebhabern Schnaps kaufst?«
    Daddys Stimme hatte sich wieder verändert. Er klang jetzt nicht mehr weinerlich. Auf einmal klang er groß. Wie ein Wolf. Ein Bär. Es krachte laut, immer wieder. Ich stellte mir vor, wie er mit den Schranktüren schlug und schlug und schlug. Metall kreischte, und es krachte erneut, als würde etwas aus den Angeln gerissen.
    GIB IHM DAS GELD, MAMA !
    »Lulu«, kreischte Mama. »Er hat ein Messer. Er will mich umbringen. Hol Teenie!«
    Was, wenn Teenie nicht zu Hause war?
    Nein, Teenie ging ja nie aus.
    Was sollte ich sagen?
    Ich blieb wie erstarrt im Flur stehen, eine Ewigkeit lang, so fühlte es sich jedenfalls an, während Mama und Daddy sich anbrüllten. Dann rannte ich die abgewetzten Stufen zu Teenies Wohnung hinunter. Ich hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür, um den Fernseher zu übertönen. Ich machte einen solchen Lärm, dass ich fast damit rechnete, das ganze Haus würde zusammenbrechen. Schließlich öffnete ihr jüngster Sohn die Tür. Ich schoss nach drinnen und fand Teenie im Wohnzimmer, wo sie Deal or no Deal anschaute und die Boxershorts ihres Mannes bügelte.
    »Mein Vater hat ein Messer«, sagte ich nur.
    »Pass auf die Jungen auf«, rief Teenie ihrem ältesten Sohn zu und zog den Stecker vom Bügeleisen heraus, ohne es vorher abzuschalten.
    Als wir aus der Wohnung rannten, rief Teenie: »Ihr bleibt hier, Kinder. Rührt euch ja nicht vom Fleck!«
    Wir hetzten die Treppe hinauf. Ich überlegte, ob ich noch jemanden bitten sollte, mit Teenie und mir mitzukommen.
    Mr. Ford vielleicht. Er lebte allein. Er war ein Junggeselle. Alt. Aber er war ein Mann, auch wenn mein Vater ihn immer eine Schwuchtel nannte.
    Nein, wir brauchten niemanden sonst. Mein Vater mochte Teenie. Er würde auf sie hören. Sie würde ihn dazu bringen, dass er sich beruhigte.
    Wir rannten in die Wohnung. Ich war direkt hinter Teenie, als sie vom Wohnzimmer in die Küche schlitterte. Die Küchenschränke standen weit offen, weil mein Vater sie aufgerissen und so fest zugeknallt hatte, dass sie wieder aufgesprungen waren, und man konnte unser türkisfarbenes und weißes Geschirr darin sehen. Eine zerbrochene Schranktür schwang in der kräftigen, feuchten Brise, die die Vorhänge blähte, hin und her.
    Mama lag auf dem Boden. Blut tropfte auf das grün und braun gemusterte Linoleum. Teenie fiel auf die Knie, knüllte den Rand ihrer breiten Baumwollschürze zusammen und hielt den Stoff auf die Stelle an Mamas Brust, wo das Blut am schnellsten herausgepumpt wurde.
    Teenie blickte zu mir auf. »Schnell, wähl die Notrufnummer.« Ihre Stimme brach. »Die sollen einen Krankenwagen schicken. Die Polizei.«
    Ich starrte auf Mama hinab. Bitte stirb nicht.
    »Mach schon, Lulu!«
    Ich rannte in Mutters Zimmer. Das Telefon stand neben dem Bett. Rosa. Ein Prinzessinnen-Telefon. Merry lag auf Mutters grau-rosa gemusterter Tagesdecke. Mama würde entsetzlich wütend werden, wenn sie sah, dass das Blut überall hingelaufen war. Der niedliche grüne Badeanzug, der Merry zu einem kleinen Grashüpfer gemacht hatte, war in der Mitte aufgeschlitzt, aber die perfekte Schleife, die ich in die gelben Bänder gemacht hatte, war noch ganz ordentlich.
    Mein Vater lag neben Merry. Blut lief aus seinen Handge
    lenken. »Hast du schon angerufen?«, schrie Teenie aus der Küche. Ich nahm das Telefon vom Nachttisch und achtete darauf,
    nicht damit an Mamas Bett zu stoßen, weil ich wusste, dass ihr das nicht gefallen würde.

2
Lul u
    imi Rubee saß am Küchentisch, trank schwarzen Kaffee und aß dünnen, trockenen Toast Melba mit Hüttenkäse. Das gab es bei ihr immer zum Frühstück und zum Mittagessen. Sie war jetzt für uns zuständig. Mamas Beerdigung hatte vor über einer Woche stattgefunden, an meinem Geburtstag, aber dazu hatte überhaupt niemand etwas gesagt.
    Ich hatte mir selbst ein Sandwich mit Butter und Orangenmarmelade gemacht, das einzige Essen im Haus, mit dem ich etwas anfangen konnte.
    Jeden Tag seit der Beerdigung hatte ich Mimi Rubee gebeten, mich ins Krankenhaus zu bringen, weil ich Merry besuchen wollte, und jeden Tag hatte sie nein gesagt. Ich konnte gar nicht richtig atmen, wenn ich mir meine kleine Schwester allein in irgendeinem riesigen weißen Gebäude vorstellte.
    »Können wir heute hingehen? Ins Krankenhaus?«, fragte ich zwischen zwei
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