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Heute Nacht brauche ich Liebe

Heute Nacht brauche ich Liebe

Titel: Heute Nacht brauche ich Liebe
Autoren: Donna Carlisle
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herumschlagen müssen. In spätestens einer Stunde würde sie dieses gottverlassene, dem Dauerfrost ausgelieferte Stück Wildnis im Herzen Alaskas für immer verlassen und mit etwas Glück in weiteren zwei Wochen am Strand von Waikiki liegen. Eigentlich sollte dieser Gedanke sie aufheitern, doch merkwürdigerweise war dem nicht so.
    Mit ihren zweiunddreißig Jahren zählte Joan Forrest, wie sie sich bereits wieder nennen ließ, obwohl sie offiziell noch Mrs. Worthington war, nicht nur zu den jüngsten, sondern auch zu den tüchtigsten Ingenieuren von Carstone Industries. Alles, an ihr, angefangen bei der Frisur bis zu ihrem langen, weitausholenden Schritt unterstrich die Tatsache, dass sie eine Frau war, die sich durchzusetzen wusste. Auf dieses Ziel hatte sie jahrelang hingearbeitet.
    Sie war groß und von schlanker Gestalt, hatte ein herzförmiges Gesicht mit großen braunen Augen und einen breiten ausdrucksstarken Mund. Joan hielt ihr Gesicht für sehr vorteilhaft, weil Männer von zarteren Zügen in der Regel auf eine schwache Frau schlossen, was nicht immer mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Das Haar pflegte sie mit zwei Spangen über den Ohren festzustecken, doch da es in dem kleinen Ort keinen Friseur gab, war es inzwischen zu lang geworden. Damit es ihr bei der Arbeit nicht ins Gesicht fiel, band sie es deshalb im Nacken zu einem Zopf zusammen.
    Keiner der Joan sah, konnte einen Zweifel daran hegen, dass sie hier die Chefin war. Bereits seit zwei Jahren leitete sie das Energieforschungsprogramm in Adinorack und immer noch reizte es sie, wenn sich die Blicke der Männer, auf ihren Po richteten, sobald sie den Raum durchquerte.
    Ansonsten fühlte sie sich hier eher wie in einem Vorhof der Hölle. Von dem Augenblick an, als ihr Flugzeug vor zwei Jahren auf der schmutzigen Landepiste aufgesetzt hatte, hatte sie um Erlösung gefleht, hatte jeden Tag, den sie hinter sich gebracht hatte, im Kalender abgehakt und die verbleibenden Stunden bis zu ihrer Abreise gezählt. Sie hasste alles an dieser Siedlung, diesem winzigen Fleck auf der Landkarte, kaum eines Namens würdig. Es war. nicht mehr als eine Ansammlung hässlicher, schmuckloser Betonklötze. Die Durchschnittstemperatur im Januar lag bei minus fünfzehn Grad, und ständig fegte ein eisiger Wind über den vereisten und unfreundlichen Ort.
    Die einzige Abwechslung boten der Blue Jay Grill, der als ausgesuchteste Köstlichkeit einen Burger aus Karibufleisch mit Käse überbacken anbot, und Brownies' Video Shop, in dem man über einhundert verschiedene Filme ausleihen konnte. Im ganzen Ort gab es außer den nötigen technischen Anleitungen nicht mehr als zwanzig Bücher, und die meisten hatte Joan selbst mitgebracht. Die gesamte Bevölkerung von Adinorack zählte fünfundsiebzig Mann, einschließlich der Leute von Carstone. In Kürze werden es nur noch, vierundsiebzig sein, sagte sie sich, während sie ihre Jacke und Schal auf den Garderobenständer neben der Schwingtür hängte.
    Noch einmal ließ Joan alles vor ihren Augen vorüberziehen. Adinorack war vor zwanzig Jahren als militärischer Außenposten gegründet worden. Als Carstone Industries nach einem geeigneten Platz Ausschau hielt, das von der Regierung finanziell unterstützte Energiesparprogramm zu testen, schien die kleine Siedlung in Alaska die besten Voraussetzungen zu bieten.
    Unermüdlich hatte sie in den Büros der Firma vorgesprochen und das von ihr entwickelte System angepriesen - bis man sie mit einem Zweijahresvertrag hierher in die Eiswüste geschickt hatte. Wie oft hatte sie darauf hingewiesen, dass es fehlerfrei funktionieren würde, weshalb sie schließlich den Zuschlag erhielt. Und es hatte sich als fehlerfrei erwiesen.
    Nachdem die Anlage installiert und in Betrieb genommen war, war ihre Anwesenheit in der Teststation eigentlich überflüssig. Die Mechaniker und Ingenieure kümmerten sich allein um die Wartung und Instandhaltung. Für sie gab es nichts weiter zu tun, als dabei zu stehen und Anordnungen zu erteilen, die kein Mensch befolgte, selbst jetzt, nach zwei Jahren, nicht. Die anfängliche Hoffnung, aus diesem Haufen von Comics verschlingenden Außenseitern eine disziplinierte Mannschaft formen zu können; hatte sich als eine krasse Fehleinschätzung erwiesen.
    Mit diesen Gedanken im Kopf betrat Joan ihr Büro, das genauso kahl und unfreundlich war wie alle anderen Räume, warf die Post auf den Schreibtisch und stellte ihre Kaffeetasse daneben. Der Anblick des roten Bechers
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