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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion
Autoren: Pierre Emme
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eigentlich ging, hielten aber wohlweislich ihren Mund.
    »Bravo«, der Arzt lächelte sogar schon wieder. »Der Zustand der Abheilung lässt auf einen Geburtstermin vor etwa zwei Monaten schließen. Und sie hat ihr Baby gestillt .«
    »Aha«, Wallner nahm das Gesagte zur Kenntnis, ohne seine Tragweite zu erkennen und auch Palinski stand beharrlich auf der Leitung. »Und was hat das zu bedeuten ?«
    »Das heißt, dass sich irgendwo in Wien oder Umgebung ein Säugling befindet, der sich in diesem Moment die Seele aus dem Leib brüllt, weil er Hunger und Durst hat .« Mit dieser Schlussfolgerung rettete die Salzburgerin Franca einmal mehr den Ruf der Wiener Polizei. »Weil seine Mutter nicht da ist, nie mehr da sein wird .«
    Der junge Arzt nickte traurig mit dem Kopf. »Hoffen wir, dass überhaupt jemand für das Kind sorgt .«
    So langsam der Inspektor beim Erkennen des sich eben zusätzlich eröffneten Problems gewesen war, so rasch war jetzt seine Reaktion. Eine kurze Rückfrage bei der Spurensicherung ergab wie befürchtet, dass die Frau keinerlei Hinweise auf ihre Identität bei sich hatte. Keine Handtasche im Container, kein Ausweis, nichts.
    »Die Lebenden haben Vorrang vor den Toten«, murmelte Wallner vor sich hin. Dann griff er zu seinem Handy und setzte die gesamte Maschinerie in Gang.
    Bereits nach nur wenig mehr als einer Stunde lief eine Suche an, die sich in der Folge zur größten Aktion dieser Art entwickeln sollte, die Wien je gesehen hatte.
    Inzwischen hatte es zu schneien begonnen. Luftig leichte Schneekristalle tanzten vom Himmel und legten sich wie ein Leichentuch über die Stadt, den Bezirk, den Ort Grinzing. Und über die wenigen Spuren des Verbrechens, die in einem der vielen Hinterhöfe darauf warteten, entdeckt zu werden.

     
    * * *

     
    Der kleine Bub war sauer. So richtig sauer auf seine Mutter. Alles in dem Vierjährigen empörte sich gegen diese Behandlung. Oder besser Nicht-Behandlung. Vor dem Einschlafen gestern hatte sie ihm fest versprochen, dass Tante Martha da sein würde, wenn er am nächsten Morgen aufwachte. Aber kein Mensch war da, der ihm seinen Kakao gemacht und ein Butterbrot geschmiert hätte. Das war der Lohn dafür, dass er ihr erlaubt hatte, zwei Tage mit Alfred aufs Land zu fahren.
    Nicht nur, dass er sich jetzt selbst sein Essen machen musste, das war schließlich kein Problem. Er hatte ja oft genug dabei zugesehen. Aber was er mit diesem ewig greinenden Baby, seiner Schwester Gaby anfangen sollte, hatte ihm keiner gesagt. Wahrscheinlich wusste Mami das selber nicht. Was immer sie tat, schon nach kurzer Zeit fing dieser unmögliche Zwerg wieder an zu brüllen.
    Überhaupt, was für ein Theater die Erwachsenen um diesen blöden Eindringling machten. ›Wie lieb sie ist, wie schön sie ist‹, so ging es den ganzen Tag. Und das Beste war, alle wollten ihm einreden, dass auch er so dachte. Sie gaben keine Ruhe, ehe man nicht »Ach, ist Gaby heute wieder lieb« gesagt hatte. Dabei fand er sie weder lieb noch schön, sondern nur überflüssig. Wer brauchte diesen ewig schreienden, saufenden und immer wieder stinkenden Winzling eigentlich? Er sicher nicht.
    Aber er war ja kein Unmensch. Also hatte er nach seinem Frühstück eines der vorbereiteten Flascherln aus dem Kühlschrank geholt. Mit der Milch drinnen, die herauskam, wenn sich Mami melkte. Sie musste eigentlich eine recht gute Kuh sein, denn sie hatte einen richtigen kleinen Vorrat angelegt.
    Er hatte das Flascherl zunächst an die Wange gehalten, wie er es bei seiner Mutter gesehen hatte. Er wusste zwar nicht genau, wofür das gut sein sollte, aber vielleicht konnte man irgendetwas hören. Da war aber nichts zu hören gewesen. Dafür hatte er aber bemerkt, dass die Milch ziemlich kalt war. Also ihm würde das so nicht schmecken.
    Was hatte Mami dann noch immer gemacht? Ja richtig, das Flascherl wurde ja jedes Mal vorher gekocht. Mit dem Herd kannte er sich aber überhaupt nicht aus. Vielleicht half es, wenn er es lange genug unter heißes Wasser hielt?
    Wenn Gaby bloß nicht immer so brüllen würde. Das verdarb einem wirklich die Laune.
    So, das musste reichen. Das Flascherl fühlte sich jetzt angenehm warm an. Er legte es wieder an die Wange, vielleicht kam es ja auf die richtige Temperatur an, ob man etwas hören konnte oder nicht. Wieder nichts, wahrscheinlich steckte doch etwas anderes hinter diesem »Flascherlandiewangehalten .«
    Vorsichtig schob er jetzt dem schreienden Bündel den Saugschnuller zwischen die
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