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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Autoren: Fiona McIntosh
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Meeres und das Leben im Allge meinen wurden an diesem Tag mehr denn je gefeiert. Die Leu te waren überglücklich, weil endlich wieder Frieden herrschte. A ber ihre Freude hatte auch einen bitteren Beigeschmack, denn viel zu viele Menschen hatten im Krieg ihr Leben verloren .
    Verunsichert stand Jack am Rand der Menge und versuchte, sich zu beruhigen. Die Angst, die ihn überwältigt hatte, legte sich jedoch nur langsam, und das auch nur deshalb, weil er sich jetzt unter anderen Menschen befand. Die Leute trugen Festtagskleidung, lachten und unterhielten sich aufgeregt miteinander. Die allgemeine Heiterkeit bewirkte, dass auch Jack gefasster wurde. Er räusperte sich, um den dicken Kloß loszuwerden, der ihn zu ersticken drohte. Dann sah er sich um. Kein Mensch hatte von seiner Anwesenheit Notiz genommen, und so schob er sich weiter in das Gedränge hinein, dankbar dafür, sich in der Menge verlieren zu können. Unter den ehrlichen, hart arbeitenden Menschen fielen ihm jetzt auch die vielen Fremden auf – die Landstreicher und die Straßenhändler –, die sich ebenso wie er die Festlichkeiten zunutze machten. Taschendiebe, Zigeuner und sogar Hexen schienen bei diesen Anlässen stets einen guten Gewinn zu machen.
    Ein Wahrsager hatte seine Bude neben der eines Quacksalbers aufgebaut, der versprach, jede Krankheit zu kurieren, von der Gicht bis hin zu Warzen. Zwei bunt gekleidete Stelzenläufer tanzten die Queen’s Street hinunter und warfen dabei den Kindern, die neben ihnen herrannten, Karamellbonbons zu. Jack wusste, dass in ein paar Stunden Stangenklettern, eine Bullenhatz, Reiterspiele und sogar ein Taubenschießen auf der großen Wiese stattfinden würden, außerdem gäbe es die übliche Zurschaustellung von tierischen Missgeburten – manchmal waren sogar ein oder zwei menschliche darunter.
    Je weiter die Zeit voranschritt und je mehr der Alkohol strömte, desto gröber würde das Verhalten der Feiernden werden. Irgendwann tauchte dann traditionsgemäß der dunkle Fremde auf, gehüllt in einen weiten schwarzen Umhang, mit einem spitzen Hut und einer grinsenden Maske mit riesigen, schnappenden Kiefern. Diese seltsame Gestalt würde die Straßen entlangstolzieren, angetrieben von einem Mann in Frauenkleidern und gefolgt von gleichermaßen wunderlich gewandeten Männern, die begeistert auf einer kuriosen Ansammlung von Musikinstrumenten spielten. Es handelte sich bei diesem Spektakel um ein altes Fruchtbarkeitsritual. Die meisten der Zuschauer liebten diese Furcht einflößende, tanzende Gestalt, Jack jedoch hatte sie schon als Kind gehasst. Für ihn stand sie keineswegs für Fruchtbarkeit und Segen, sondern für Unglück und böse Omen.
    Er beschloss, sich in der Stadt ein Gläschen zu genehmigen, um seine angespannten Nerven noch weiter zu beruhigen, und machte sich deshalb auf den Weg zum Turk’s Head in der Chapel Street, das seinen Namen angeblich erhalten hatte, als die Türken im Jahre 1233 in Penzance einmarschiert waren. Jack hatte die Geschichte schon unzählige Male von Johns, dem Wirt, gehört. Früher war die Kneipe wegen ihres Geheimgangs, der direkt zum Hafen hinunterführte, bei den Schmugglern sehr beliebt gewesen.
    Er trat über die Schwelle, bückte sich unter dem niedrigen Türstock hindurch und empfand eine Art tröstlicher Erleichterung, als ihn die miefige Wärme des Kohlenfeuers und der schwere Geruch von Bier, der die Luft schwängerte, empfingen.
    »Du bist aber heute früh dran, Bryant«, bemerkte der Wirt, der einen Humpen mit einem Tuch säuberte. »Ein Pint Bitterbier?«
    »Gib mir lieber ein halbes Mildes«, erwiderte Jack seufzend.
    Der Wirt grinste ihn an. »Klingt so, als müsstest du einen klaren Kopf behalten.«
    »Nein, ich habe nur dein verwässertes Ale und deine hohen Preise satt.« Seit Ausbruch des Krieges hatte der Wirt auf Anweisung der Regierung das Bier, das er ausschenkte, so weit verdünnen müssen, dass es so gut wie keine berauschende Wirkung mehr hatte.
    »Das macht drei Pence«, sagte der Mann und zapfte ihm ein Bier. »Es wundert mich, dass ausgerechnet du darauf verzichtest, dich zu amüsieren.«
    Jack ging nicht auf die Worte des Wirtes ein. Stattdessen nahm er stumm den Bierkrug entgegen und trat damit an einen der Tische in der Ecke. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass das Turk’s Head heute offenbar der ruhigste Ort in der ganzen Stadt war. Die Stammgäste waren alle draußen auf den Straßen unterwegs und feierten. Und das war ihm ganz recht
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