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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition)
Autoren: T.A. Wegberg
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doch den Rucksack genommen, und dann hab ich nicht mehr in das Vorderfach reingeguckt«, erklärt Anoki verzweifelt.
    Ich zwinge mich zur Ruhe. »Gut. Dann fahren wir zurück. Wir haben ja noch genug Zeit, das geht schon.«
    Sofort protestiert Una: »Nö! Ich will mir den Flughafen angucken! Wir sind extra früher gefahren deswegen!«
    Und Anoki zischt augenblicklich zurück: »Okay, dann guck ihn dir an – ich kann ja hierbleiben! Schickt mir mal ’ne Karte aus’m Urlaub!«
    Bevor die beiden sich zu prügeln anfangen, muss ich eine Lösung finden. »Dann geht ihr doch schon mal rein«, schlage ich Judith vor. »Ihr könnt ja auch euer Gepäck schon mal mitnehmen und einchecken. Und ich fahr mit Anoki zurück und hol seinen Ausweis.«
    Judith zögert kurz, aber offensichtlich ist das ein höchst vernünftiger Gedanke, und niemandem fällt ein Gegenargument ein, nicht mal Una.
    Also fahre ich Judith und Una möglichst nah an den Eingang des Flughafens heran, lade ihre Koffer aus dem Auto, gebe meiner Verlobten einen beruhigenden Kuss und sage: »Maximal anderthalb Stunden, dann sind wir wieder da. Ich ruf dich auf dem Handy an.«
    Ich gebe ihr die Mappe mit den Reiseunterlagen und nehme nur mein und Anokis Ticket heraus. Während die Mädels auf den Flughafen zusteuern, setzt sich Anoki auf den Beifahrersitz.
    »Bist du sauer?«, fragt er, nachdem wir zwei, drei Minuten schweigend wieder in Richtung Innenstadt gefahren sind.
    »Nee, sauer nicht«, antworte ich. »Ich meine, das ist jetzt nicht gerade prickelnd, dass ich noch mal quer durch die Stadt muss, aber so was kann ja passieren. Du kannst froh sein, dass du’s noch rechtzeitig gemerkt hast.«
    »Was hättest du gemacht, wenn wir schon beim Einchecken gewesen wären? So eine Stunde vorm Abflug?«, will Anoki wissen.
    Ich zucke die Schultern. »Weiß nicht. Ohne Ausweis lassen sie dich nicht fliegen. Vielleicht kann man Ersatzpapiere ausstellen oder so, ich hab echt keine Ahnung.«
    »Hättest du mich allein hiergelassen?«, fragt Anoki.
    Ich werfe ihm einen entsetzten kurzen Seitenblick zu. »Bist du verrückt? Niemals!«
    Er wirkt befriedigt, und erst jetzt wird mir klar, welche Tragweite diese Fragestellung für ihn hat. Ich tätschele seinen Oberschenkel. »Ich lass dich nie und unter keinen Umständen jemals irgendwo alleine zurück«, verkünde ich.
    Anoki öffnet den Reißverschluss seines Rucksacks und holt etwas raus, das er aufs Armaturenbrett legt. Ich überhole gerade ein anderes Fahrzeug und muss mich auf den Spurwechsel konzentrieren. Danach sehe ich mir an, was er da so demonstrativ hingelegt hat. Es ist sein Ausweis.

 
 
119
    Ich müsste jetzt wahrscheinlich ins Schleudern geraten, mit quietschenden Reifen auf dem Pannenstreifen anhalten und brüllen: »Was soll das denn?!« Aber ich bin ganz ruhig. Entweder weil ich vor unserer Abreise zwei Tabletten genommen habe oder weil ich nicht wirklich überrascht bin. Das heißt nicht, dass ich so etwas erwartet hätte – ich wundere mich bloß nicht.
    Anoki guckt angestrengt nach vorne und wartet auf meine Reaktion.
    Ich lasse ihn zappeln. Dann sage ich: »Tja – und jetzt?«
    Er streift mich mit einem verblüfften Seitenblick und gibt keine Antwort. Sein Drehbuch hat wohl einen anderen Verlauf vorgesehen. Er kaut auf seiner Unterlippe herum. Schließlich sagt er leise: »Ich will da nicht hin.«
    »Du willst nicht nach Italien?«, frage ich vorgeblich ahnungslos.
    »Doch, schon«, beeilt sich Anoki zu sagen, »aber nicht … nicht so. Nur mit dir.«
    Das ist schmeichelhaft, aber auch gefährlich naiv. »Hör mal, das ist mein Jahresurlaub«, sage ich genervt. »Eine sündhaft teure Urlaubsreise, die ich mir nicht mal wirklich leisten kann. Meine erste Reise seit drei Jahren. Ich weiß nicht … so ein bisschen gegenseitige Rücksichtnahme … wäre das zu viel verlangt?«
    Anoki scheint auf dem Beifahrersitz zu schrumpfen, aber er gibt nicht auf. »Können wir nicht einfach woanders hinfahren?«, schlägt er vor. »Kann auch was Billiges sein.«
    Ich hör wohl nicht recht – mein Bruder und was Billiges?
    »Ostsee«, schlägt er heroisch vor. »Oder Rügen, ich glaub, das ist gar nicht so ungeil da. Hast du ’n Zelt?«
    Ich muss so lachen, dass meine Augen tränen. Schlägt Anoki mir allen Ernstes vor, dass ich einen schweineteuren Vier-Sterne-all-inclusive-Verwöhnurlaub in Bella Italia sausen lasse, um mit ihm illegal am Ostseestrand zu campen? Ich denke an den riesigen, nierenförmigen
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