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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts
Autoren: Roger Zelazny
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Körper der Göttin darin wohnte. Täglich wurde der Raum gereinigt, das Linnen gewechselt, frischer Weihrauch verbrannt und eine Votivgabe innen vor die Tür gesetzt. Diese Tür war für gewöhnlich verschlossen.
    Natürlich gab es Fenster. Die Frage, ob ein Mensch durch eines dieser Fenster in den Raum gelangen konnte, muß rein theoretisch bleiben. Tak bewies, daß ein Affe es vermochte.
    Er stieg auf das Dach des Klosters, kletterte von dort von Vorsprung zu Vorsprung weiter den Turm empor, einen schlüpfrigen Stein um den anderen meisternd, während der Himmel über ihm wie ein Hund knurrte; bis er schließlich an der Mauer unter der äußeren Fensterbank hing. Ein Dauerregen fiel auf ihn herab. Im Innern des Raums sang ein Vogel. Die Fransen eines durchnäßten blauen Schals hingen über die Fensterbank.
    Er suchte sich einen festen Griff auf dem Sims und zog sich so weit hoch, daß er einen Blick nach drinnen werfen konnte.
    Sie kehrte ihm den Rücken zu. Sie trug einen dunkelblauen Sari und saß auf einer kleinen Bank am anderen Ende des Zimmers.
    Er schwang sich auf die Fensterbank und räusperte sich.
    Sie fuhr herum. Sie trug einen Schleier, der ihr Gesicht verhüllte. Sie betrachtete ihn durch diesen Schleier, stand dann auf und kam zu ihm herüber.
    Er war bestürzt. Ihre einst geschmeidige Figur war breit in der Taille geworden; ihr Gang, einst wiegend wie ein Zweig im Wind, war jetzt ein Watscheln; ihr Teint war zu dunkel; selbst durch den Schleier traten die Konturen von Nase und Kiefer hart hervor. Er verneigte sich.
    »>Und so bist du zu uns hergezogen und nach Hause gekommen, so wie der Vogel zu seinem Nest auf dem Baum heim- kehrte.c«
    Regungslos stand sie da, ihren? eigenen Standbild in der Haupthalle gleich.
    »>Bewahre uns vor der Wölfin und dem Wolf und bewahre uns vor dem Dieb, o Nacht, sei gut zu uns, wenn du verstreichst.««
    Da streckte sie ihre Hand aus und legte sie auf seinen Kopf.
    »Du hast meinen Segen, Kleiner«, sagte sie nach einer Weile. »Leider ist das alles, was ich dir geben kann. Ich kann dir weder Schutz versprechen noch Schönheit verleihen, denn beides besitze ich selber nicht. Wie heißt du?«
    »Tak«, antwortete er ihr.
    Sie strich sich über ihre Stirn unter dem Schleier.
    »Ich kannte einmal einen Tak«, sagte sie, »aber das ist lange her und war weit weg von hier. «
    »Jener Tak, das bin ich, Göttin.«
    Sie setzte sich auf das innere Fensterbrett. Es verging eine Weile, dann begriff er, daß sie unter ihrem Schleier weinte.
    »Nicht weinen, Göttin! Tak ist da. Erinnert Ihr Euch an Tak, an Tak, den Archivar? An Tak mit dem Hellen Speer? Er wartet nur auf Eure, auf. deine Befehle.«
    »Tak.«, sagte sie. »Oh, Tak! Auch du? Das wußte ich nicht! Man hat mir niemals gesagt. «
    »Das Rad wird sich weiter drehen, Göttin, und wer weiß? Vielleicht wird alles besser, als es einmal war.«
    Ihre Schultern zuckten. Er streckte ihr die Hand hin. Zog sie wieder zurück.
    Sie drehte sich um und ergriff sie.
    Nach einer Ewigkeit sprach sie:
    »Der normale Lauf der Ereignisse wird uns nicht helfen, Tak vom Hellen Speer, uns nicht wieder zu denen machen, die wir einmal waren. Wir müssen uns unseren Weg freikämpfen.«
    »Was meinst du damit?« fragte er; dann: »Sam?«
    Sie nickte.
    »Um ihn geht es. Er ist unsere Hoffnung gegen den Himmel, lieber Tak. Wenn es gelingt, ihn zurückzurufen, haben wir Aussicht auf ein neues Leben.«
    »Deshalb also bist du dieses Risiko eingegangen, deshalb hast du dich selbst in die Höhle des Löwen begeben?«
    »Weshalb sonst? Wo es keine andere Hoffnung gibt, muß man selbst eine Hoffnung schmieden. Und auch wenn sie falsch und trügerisch ist, vielleicht erfüllt sie sich doch.«
    »Falsch? Trügerisch? Glaubst du denn nicht, daß er der Buddha war?«
    Sie lachte auf.
    »Sam war der größte Scharlatan in der Geschichte der Götter und der Menschheit. Und er war der würdigste Gegner, der es jemals mit Trimurti aufgenommen hat. Sieh mich nicht so betroffen an, Archivar! Du weißt, daß er seine Lehre, seinen Pfad zur Weisheit, seine Kenntnisse, einschließlich seiner Zeremonienkleidung, daß er alles, aber auch alles aus verbotenen prähistorischen Quellen gestohlen hat. Diese Dinge waren Waffen für ihn, mehr nicht. Seine größte Stärke aber lag in der Kunst seiner Heuchelei. Wenn wir ihn wieder bei uns hätten.«
    »Heiliger oder Scharlatan, Göttin, er ist zurückgekehrt.«
    »Treib keinen Scherz mit mir, Tak!«
    »Göttin und
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