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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore
Autoren: Kealan Patrick Burke
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der seiner Meinung nach eine »reinigende Instanz in diesem stygischen Moloch« sei. Wie es ihm gelungen war, eine bezaubernde und intelligente Frau wie Sylvia zu umgarnen, blieb den Dorfbewohnern ein Rätsel, denn eigentlich hätte sie seine betont charismatische Maske schon bei der ersten Begegnung durchschauen müssen. Mansfield wusste es besser, denn er hatte sie sagen hören, Callow bedeute ihr wenig mehr als ein Trittbrett zur Überwindung der Armut Calinestis, eines Dörfleins in ihrer rumänischen Heimat. Dort hatte Callow dank seines spendablen Vaters ein Jahr verbracht.
    »Weißt du, wie viel Apothekerwhiskey ich gestern Abend gesoffen habe?«
    Mansfield löste sich von seinen Gedanken und schaute
Royle an. »Nein, und es interessiert mich auch nicht. Hör einfach auf Callow und tu, was er sagt.«
    »Pah! Ich wette, sie sitzt gerade in einem Zug nach Paddington. Sollte sie einen Funken Verstand besitzen.«
    Mansfield stöhnte und ritt voraus, bis er sich auf gleicher Höhe wie ihr Anführer bewegte.
    An klaren Tagen sahen die brodelnden, unwirtlichen Sümpfe atemberaubend aus, doch heute erwartete die Reiterschaft nur ein trüb grauer Wust, der vor ihnen dahinzog. Vereinzelt erkannte man weitere Hügel, deren schroffe Häupter die Schwaden durchstachen, doch binnen Kurzem sollten auch diese vollständig verschwinden. Mansfield spürte den klammen Nebel auf der Haut.
    »Was sollen wir für Euch tun?«, fragte er Callow.
    Der Jagdmeister hatte einen glasigen Blick und antwortete nicht, weshalb Mansfield kurz daran zweifelte, ob er die Frage überhaupt gehört hatte. Dann aber rückte Callow, ohne ihn anzuschauen, mit der Sprache heraus: »Ich habe sie geliebt, wissen Sie.«
    Obwohl es Mansfield beklommen machte, ihn in der Vergangenheitsform über seine Frau reden zu hören, nickte er verständnisvoll. »Natürlich. Ich versichere Euch, falls sie sich hier aufhält, werden wir sie finden.«
    »Weshalb sollte sie nicht hier sein?«
    »Nun, Ihr müsst die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass sie …« Er brach ab, weil er nicht genau wusste, wie er andeuten sollte, dass Sylvia ihn vielleicht sitzengelassen hatte.
    »Dass sie was?«
    »Dass sie eben nicht hier ist.«
    Callow lächelte zum ersten Mal, seit er den Suchtrupp zusammengetrommelt hatte, nur andeutungsweise und keineswegs gefällig. »Sie weiß genau, dass ihr das nicht bekommen würde.«
    Mansfield starrte vor sich hin und erwiderte erst nach einiger Zeit: »Ich reite weiter und erkunde die Gegend.«
    »Gewiss.«
    Als er sich von der Gruppe löste, stimmte er Royle, diesem Rüpel, einhelliger denn je zu. Bei diesem Wetter war eine solche Suche eine aberwitzige Idee, doch sie mussten sich unbedingt trotzdem herwagen und blind über unwägbares Land streifen. Ferner ahnte er, Callow habe ihn ob seines mutmaßlichen Orientierungssinnes eingespannt, denn Mansfield war wie Laws und Fowler am Moor aufgewachsen. Allerdings bedeutete ihre Vertrautheit mit der Gegend nicht, dass sie den Tross sicher leiten konnten, auch und gerade wegen des Nebels. Callow hätte es wissen müssen. Findlinge und Morast, ausgehobene wie natürlich entstandene Löcher prägten das Landschaftsbild, und jede einzelne dieser Stellen mochte für sich genommen den Tod bedeuten, und zwar für Mensch und Pferd gleichermaßen. Nur totale Finsternis wirkte bedrohlicher, machte die Gefahr noch größer. An diesem Tag nutzte es nichts, sich wie gut auch immer auszukennen, also drängte sich die Frage auf, warum Callow Mansfield und die anderen überhaupt gebeten hatte, sich ihm anzuschließen.
    Just als er eine verkrüppelte Schwarzeiche wiedererkannte, schloss sein Untergebener Grady zu ihm auf. Er hatte die Schirmmütze weit zurückgezogen, sodass sich spinnwebenfein einige graue Härchen darunter hervortaten. Ihrem deutlichen Altersunterschied zum Trotz einte die beiden eine innige Freundschaft. Ned Grady kümmerte sich schon seit zwanzig Jahren um das Mansfield-Anwesen, und es war nahezu unmöglich, sich den leicht gebeugt schlurfenden Mann vom Vorhof des Hauses wegzudenken.
    »Da besteht mehr Hoffnung darin, hier auf Jesus zu treffen, anstatt diese Frau aufzuspüren, würde ich sagen.« Die irische Schnauze war unverkennbar. Sein Pferd schnaubte und klapperte mit dem Geschirr, was Grady zu einem sanften »Ganz ruhig« bemüßigte.
    »Dem kann ich nur zustimmen. Jeder andere hätte ein Telegramm nach Merrivale geschickt, und die dort wiederum wären mit Konstablern und Bluthunden
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