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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß
Autoren: Sandra Busch
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ihm seine Kameraden zum Abschied aus der Einheit geschenkt haben. Inzwischen bin ich mit meinem Liebsten seit zwei Jahren zusammen, trotzdem habe ich bis heute keine Ahnung, warum er den uniformierten Verein verlassen hat. Meine Spürnase sagt mir allerdings, dass es etwas mit den zahlreichen schmalen, rötlichen Narben auf Bos Schenkeln und Hoden zu tun hat, über die er sich hartnäckig zu sprechen weigert.
    Ich habe Bo direkt nach seiner Auskleidung in einer Bar kennengelernt, wo er sich im wahrsten Sinne des Wortes bewusstlos gesoffen hat. Und da ich im Grunde meines Herzens ein Samariter bin, habe ich ihn mit nach Hause genommen und ihm völlig uneigennützig meine Kloschüssel, etliche Aspirin, mein Bett und meinen Arsch angeboten. Außerdem habe ich mich rettungslos in Bo verliebt. Zu meinem Glück konnte mich Bo nüchtern ebenfalls ertragen und ist daher bei mir geblieben. Genauso verliebt. Seitdem sind wir ein Paar.
    Nun hält mein Tweety vor einem imposanten Haus am Rande von Eißendorf, einem der hügeligsten Stadtteile von Hamburg. Dies ist keine Wohngegend für arme Schlucker, wie ich an den vielen luxuriösen Eigenheimen und den parkähnlichen Grundstücken in dieser Straße sehe. Bos Bundeswehrkiste mit dem charmanten Tarnfleckmuster, die wir zwischen einem frisch polierten Porsche Cayman aus der Black Edition und einem silbernen Audi A5 Cabriolet abgestellt haben, fällt hier wie ein bunter Hund auf. Im Gegensatz zu mir zeigt sich Bo wenig beeindruckt und drückt ohne zu zögern auf die Klingel am Gartentor. Über die Sprechanlage meldet sich eine weibliche Stimme:
    „Ja?“
    „Detektei Amundsen und Berger“, sagt Bo. Nach einem Moment der Stille erklingt der Summer und Bo drückt das hohe Gartentor auf. Wir laufen zwischen gepflegten Blumenrabatten bis zur Haustür, wo uns Frau Nolte-Aschendorff begrüßt.
    „Sie sind von der Detektei?“, fragt sie skeptisch. Offensichtlich hat sie jemanden im beigen Trenchcoat und mit einem Fotoapparat um den Hals erwartet. Ich überlasse es Bo uns vorzustellen und schaue mich stattdessen in dem großen Wohnzimmer um. Überall Glas und poliertes Metall und ungemütliches Design. An den Wänden hängen Bilder von Wassily Kandinsky. Lauter langweilige Kreise und Quadrate. Meine Eltern hatten von diesem Künstler ebenfalls Drucke im Wohnzimmer hängen. Furchtbar. Wenigstens bringen diese Kritzeleien etwas Farbe in den Raum. Der Boden besteht aus edlem Parkett und wirkt, als würde er jeden Tag gebohnert. Wir nehmen auf einer weißen Ledercouch Platz und Frau Nolte-Aschendorff bietet uns höflich einen Kaffee an, den Bo dankend ablehnt.
    „Unsere Bürohilfe sagte uns, dass Ihr Sohn Ingo seit Freitag verschwunden ist. Haben Sie die Polizei eingeschaltet?“, erkundigt sich Bo.
    Frau Nolte-Aschendorff sitzt uns steif und mit kerzengeradem Rücken gegenüber. Ihre gepflegten Hände hält sie im Schoß gefaltet. In dem beigefarbenen Kostüm aus Wildleder und mit den aufgesteckten rötlichen Haaren sieht sie ziemlich bieder aus.
    „Natürlich haben wir bei der Polizei eine Anzeigeaufgeben. Aber Sie wissen sicherlich, wie das ist. Es fehlen die Leute, die gezielt nach den Vermissten suchen, und Ingo ist einer von vielen verschwundenen Teenagern. Dabei ist es gar nicht seine Art, ohne ein Wort fern zu bleiben. Er meldet sich sonst sogar zum Essen ab oder ruft an, wenn es später wird als üblich. Ingo weiß genau, dass ich mir immer gleich Sorgen mache. Außerdem hat er nur seine dünne Jacke an. Er würde bestimmt nach Hause kommen, wenn er friert.“
    „Haben Sie bei seinen Freunden angerufen? Vielleicht ist er bei einem Kumpel.“
    „Seine Freunde haben ihn zuletzt in der Schule gesehen. Ich …“ Frau Nolte-Aschendorff unterbricht sich, da ein streng aussehender Mann mit goldener Nickelbrille und Anzug das Wohnzimmer betritt. Überrascht sieht er Bo und mich an, ehe er Frau Nolte-Aschendorff einen flüchtigen Kuss auf die Wange gibt.
    „Guten Morgen, die Herren“, grüßt er dann steif.
    „Das sind die beiden Detektive, Herr Amundsen und Herr Berger“, sagt Frau Nolte-Aschendorff hastig und erhebt sich mit plötzlicher Nervosität. „Mein Mann, Rainer Nolte. Um diese Zeit fährt er normalerweise ins Büro.“
    „Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, die Sache der Polizei zu überlassen, Antonia“, sagt Herr Nolte ärgerlich und mit einem nicht ernst gemeinten Lächeln in unsere Richtung.
    „Ingo ist doch keine Sache.“ Seine Frau ist empört und
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