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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt
Autoren: David Moody
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kurz zuvor so normal und ereignislos präsentiert hatte. Was konnte nur geschehen sein? Das schiere Ausmaß der Katastrophe war zu viel für sie. Wie benommen kehrte sie schließlich um und stolperte zurück zu dem hohen Bürokomplex.
    Ihre Wohnung lag eine fünfzigminütige Zugfahrt entfernt – über eine Stunde mit dem Auto, und dorthin zurückzukehren, hätte ihr wenig gebracht. Nach drei Monaten eines einjährigen Arbeitspraxisprogramms der Wirtschaftsschule hatte sie entschieden, in einer Stadt zu leben, zu studieren und zu arbeiten, die sich über hundertfünfzig Meilen von der Heimat ihrer Familie entfernt befand. Was hätte sie gegeben, um wieder bei ihren Eltern in deren unscheinbarem, kleinem Dreizimmerhaus auf der gegenüberliegenden Seite des Landes zu sein. Aber was hätte sie dort erwartet? Hatten sich die Auswirkungen dessen, was hier vorgefallen war, bis in ihren Heimatort ausgebreitet? Hatten ihre Eltern so wie sie überlebt oder würde sie die beiden tot vorfinden ... rasch beschloss sie, dass sie es nicht ertragen konnte, länger darüber nachzugrübeln, was aus ihnen geworden sein mochte.
    Tatsache war, dass sie sich hier befand und wenig dagegen tun konnte. So unmöglich, unglaublich und grotesk die Umstände anmuteten, sie hatte keine andere Wahl, als zu versuchen, sich zusammenzureißen und einen Ort zu finden, wo sie wohlbehalten abwarten konnte, bis etwas – irgendetwas – geschähe. Am sinnvollsten erschien ihr das Büro, das sie verlassen hatte. Durch die Höhe bot es ein wenig Abgeschiedenheit, und es war sauber, geräumig und vergleichsweise gemütlich. Sie kannte sich dort aus und wusste, wo sie sich in der Kantine etwas zu essen und zu trinken besorgen konnte. Den vielleicht größten Vorzug stellten die Sicherheitseinrichtungen des Büros dar. Der Zugang zu den Arbeitsbereichen wurde mittels elektronischer Ausweise streng kontrolliert, und aus einer Unterhaltung, die sie in der vergangenen Woche mit einem Techniker geführt hatte, wusste sie, dass die Sicherheitsanlage unabhängig von der Hauptstromversorgung funktionierte. Egal, was aus den übrigen Teilen des Gebäudes wurde, die Schlösser wurden konstant versorgt, was bedeutete, dass sie den Rest der Welt aussperren konnte, bis sie bereit war, sich ihr wieder zu stellen. Es mochte lediglich ein psychologischer Vorteil sein, aber er genügte, um sie zu überzeugen. Während der ersten, langen Stunden des Albtraums empfand sie diese Sicherheit als unschätzbar.
    Den Großteil des verbleibenden ersten Tages verbrachte sie damit, sich verschiedene Vorräte zu besorgen, anfangs aus dem Bürogebäude selbst, später aus verschiedenen Geschäften in der Nähe. Sie suchte sich wärmere Kleider, einen Schlafsack und Gaslampen aus einem Campingladen, Essen, Getränke, ein Radio und einen tragbaren Fernseher. Am frühen Abend hatte sie alles die vielen Treppenfluchten hinaufgeschleppt und sich ein relativ warmes, behagliches Nest im abgelegensten Winkel des Büros eingerichtet. Während das Tageslicht rasch in Dunkelheit überging, versuchte sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Ihr Mobiltelefon funktionierte nicht. Über die Festnetzleitungen, die sie an über zwanzig verschiedenen Telefonen ausprobierte, bekam sie nicht einmal ein Freizeichen, und weder mit dem Radio noch mit dem Fernseher empfing sie etwas anderes als statisches Rauschen und Stille. Als die Dunkelheit vollends Einzug in die Stadt gehalten hatte, gab sie es auf.
    Die erste Nacht zog sich eine Ewigkeit hin, der zweite Tag noch länger. Nur wenige Male wagte sie sich aus ihrem Versteck hervor. Kurz nach Sonnenaufgang kroch sie durch das Büro und blickte auf die Straßen hinab; einerseits um zu überprüfen, ob sich die Lage verändert hatte, andererseits um sich zu vergewissern, ob die bizarren, unerklärlichen Ereignisse des vergangenen Morgens tatsächlich stattgefunden hatten. Im Verlauf der schleppenden Stunden der Nacht hatte Donna angefangen, sich davon zu überzeugen, dass der Tod so vieler Tausender, unschuldiger Menschen nicht wirklich so unsagbar schnell, heftig und grundlos eingetreten sein konnte.
    Von ihrem Platz unter einem Schreibtisch aus erblickte Donna einen Fuß von Joan Alderney, die immer noch dort lag, wo sie vor weniger als vierundzwanzig Stunden gestorben war. Den Leichnam der Frau zu sehen, entnervte sie so sehr, dass sie bald nicht mehr aufhören konnte, hinzustarren. Die Nähe des toten Körpers
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