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Henry haut ab: Roman (German Edition)

Henry haut ab: Roman (German Edition)

Titel: Henry haut ab: Roman (German Edition)
Autoren: Tom Sharpe
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entschlossen, seine Qualen in die Länge zu ziehen. »Warum benutzen Sie ihn nicht?«
    »Weil mir das verdammte Ding runtergefallen ist!«, brüllte Wilt durch den Briefschlitz. »Warum hast du die Außenbeleuchtung ausgemacht? Ich kann überhaupt nichts sehen. Es ist stockfinster.«
    Eva erwog, das Außenlicht wieder einzuschalten, entschied sich jedoch für eine andere Taktik.
    »Ich rufe jetzt die Polizei …«, begann sie und legte dabei laut klappernd die Kette vor.
    »Bist du nicht ganz dicht? Das fehlte uns noch.«
    Dem musste sogar Eva zustimmen. Die Vorstellung von Streifenwagen, die fast sicher mit heulender Sirene vorfahren und der ganzen Nachbarschaft ein Schauspiel bieten würden, über das sie sich die Mäuler zerreißen konnten, gefiel ihr nicht. Nichtsdestotrotz wollte sie Wilt noch ein bisschen leiden lassen. Sie schaltete das Außenlicht an und öffnete die Tür einen Spalt weit, ohne die Kette loszumachen. Wilts Gesicht war voller Dreck; er sah schrecklich aus.
    »Sie sind nicht mein Mann«, beharrte sie. »Sie sehen überhaupt nicht aus wie er.«
    »Jetzt reicht’s mir, Eva. Ich schlag die verdammte Tür ein!«, brüllte Wilt. »Wenn du jetzt nicht sofort aufmachst, gehe ich über die verfluchte Straße und pisse dieser beschissenen Mrs. Fox in den Briefschlitz. Wollen doch mal sehen, was die Nachbarn dazu sagen.«
    »Gut, dann muss ich dich wohl reinlassen«, gab Eva schnell nach und drückte die Tür ein wenig zu, bevor sie die Kette löste. Als sie sie wieder aufmachte, war Wilt zu Boden geglitten und übergab sich in ein Blumenbeet.
    »In Ordnung, du kannst reinkommen«, sagte sie noch einmal, als er fertig war.
    Wilt versuchte vergeblich, auf die Füße zu kommen. Stattdessen kroch er über die Fußmatte, während Eva mit einem Lächeln der Genugtuung in ihrem Morgenmantel hinausging und seinen Schlüssel holte. Zurück im Haus schloss sie die Tür ab und musterte ihren Ehemann voller Abscheu. Sie hatte ihn noch nie dermaßen betrunken gesehen und freute sich schon auf seinen Kater am nächsten Morgen. Er würde nicht in der richtigen Verfassung sein, um sich dem zu widersetzen, was sie für ihn geplant hatte.
    »Du gehst jetzt sofort nach oben und duschst. Dann kannst du im Gästezimmer schlafen. Neben mir schläfst du jedenfalls nicht.«
    Mit diesen Worten ging sie zurück ins Bett und überließ es Wilt, sich allein die Stufen hinaufzuschleppen.
    Eine halbe Stunde später, nachdem er versucht hatte zu duschen, nur um zwei Mal hinzufallen, kroch ein angeschlagener, verbitterter Wilt mehr tot als lebendig ins Gästezimmer und schlief ein.
    Am nächsten Morgen rief er die »Universität« an, um zu sagen, dass er mit irgendeiner Infektion im Bett läge. Niemand meldete sich.
    »Heute ist Samstag«, sagte Eva. »Natürlich gehst du nicht arbeiten. Niemand geht am Wochenende arbeiten.«
    Wilt dankte Gott und kroch wieder ins Bett. Gleich darauf wurde er von Eva geweckt, die im vergangenen Sommer doch mehr von ihrer Tante Joan gelernt hatte, als ihr bewusst geworden war. Sie war von Tante Joan des Starfighter Mansion in Wilma, Tennessee, verwiesen worden – hinausgeworfen wäre streng genommen die genauere Bezeichnung –, und dadurch war sie härter geworden. Jahrelang hatte sie Henrys Trunkenheit und seine unflätigen Ausdrücke ertragen. Jetzt wollte sie sich an Tante Joans Art und Weise, Vergeltung zu üben, ein Beispiel nehmen. Es wurde Zeit, dass sie sich durchsetzte.
    »Hör mal zu«, fuhr sie ihn an, nachdem sie Wilt wachgerüttelt und ihm die Decke weggerissen hatte. »Du tust jetzt genau, was ich sage.«
    Angewidert blickte sie auf seinen nackten Körper hinab.
    »Herrgott noch mal«, jammerte Wilt. »Willst du, dass ich erfriere?«
    »Es ist ein heißer Tag. Wenn dir kalt ist, bist du selbst schuld. Du bist gestern Abend betrunkener nach Hause gekommen, als ich dich je gesehen habe.«
    »In Ordnung, das stimmt. Ich habe mit Peter gefeiert.«
    »Und was?«
    »Ist eine verdammt lange Geschichte. Kann das nicht warten?«
    »Nein, kann es nicht.«
    »Wenn du’s unbedingt wissen musst, ich bin nicht gekündigt worden, das haben wir gefeiert.«
    »Gott sei Dank«, sagte Eva. Sie wollte gerade gehen, änderte dann aber ihre Meinung. Sie kannte ihren Henry, und der log, wann immer es ihm in den Kram passte. Dieses Mal würde sie sich nicht hinters Licht führen lassen.
    »Wer hat überhaupt gesagt, dass du gekündigt werden solltest? Und es ist mir egal, ob es eine lange Geschichte ist,
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