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Heimkehr am Morgen (German Edition)

Heimkehr am Morgen (German Edition)

Titel: Heimkehr am Morgen (German Edition)
Autoren: Alexis Harrington
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über Susannahs Lob freute. In dem Blick, mit dem er sie bedachte, lag aufrichtige Zuneigung, was Jessica nicht entging.
    Schulkinder, die das beliebte Kriegslied »Over There« sangen, radelten vorbei, die Speichen ihrer Fahrräder mit Bändern aus Krepppapier umwickelt. Sie führten die restliche Wagenkolonne an, darunter eine Frau auf der Ladefläche eines Fuhrwerks, die»You’re a Grand Old Flag« auf einem Klavier hämmerte, diverse Reiter und ein Planwagen mit johlenden Suffragetten. Das Ergebnis war eine regelrechte Kakofonie, doch der Jubel, der plötzlich weiter hinten in der Zuschauerreihe erscholl, übertönte sämtliche Dissonanzen und auch so gut wie alles andere.
    »Da kommt Eddie!«
    »Ich sehe ihn! Er gibt einen prächtigen Soldaten ab!«
    Der am kunstvollsten dekorierte Festwagen kam in Sicht, mit Wimpeln und mehreren Sternenbannern geschmückt. An die Wagenseiten hatte man Plakate genagelt, die zum Kauf von Kriegsanleihen aufriefen. Jetzt wurden das Beifallsgeschrei und der Jubel um Jess herum noch lauter. Sie hätte Bürgermeister Cooksons Sohn nicht wiedererkannt, einen rotwangigen, mageren Achtzehnjährigen, der trotz seiner steifen Armeeuniform sehr jung und schüchtern wirkte. Er war umringt von anderen Auserwählten, die man für den unverkennbaren Höhepunkt der Parade auserkoren hatte. Die Menschen stürzten sich auf ihn, um ihm die Hand zu schütteln und viel Glück in Europa zu wünschen. Er ließ keine Hand aus, die sich ihm entgegenstreckte. Der Applaus und der Wirbel um seine Person ließen ihn bis zum Haaransatz erröten. Er musste schwitzen in dem dicken, khakifarbenen Wollstoff, denn von ihrem Platz aus sah sogar Jess, dass sein Gesicht vor Schweiß glänzte. Kreischende Mädchen am Straßenrand vergaßen jeden Anstand und warfen Papierblumen und die letzten Spätsommerrosen aus dem Garten. Er grinste dümmlich.
    Nachdem Sheriff Whit Gannon als Letzter der Parade vorbeigeritten war, strömten die Zuschauer vom Gehweg auf die Straße, um der Wagenkolonne zu folgen und weiterzufeiern.
    Tanner und Susannah liefen hinter Josh und Wade in Richtung von Eddies Wagen. Über die Schulter rief Susannah Jessica zu: »Jessica, du musst mal zu uns zum Essen kommen, während du hier bist!« Dann verschwand sie mit Tanner in der Menge.
    Jess blieb bei einigen Bekannten stehen, die sie herzlich zu Hause begrüßten und ihre Hoffnung ausdrückten, sie würde nun für immer bleiben.
    Überwältigt von ihrem Überschwang hatte Jess keine Gelegenheit – oder nicht den Mut – ihnen zu sagen, dass sie nur ein paar Tage auf dem Weg nach Seattle hier Station machte.
    Plötzlich drangen von weiter vorn aufgeregte, besorgte Rufe zu Jessica. Das hintere Ende der Parade kam zum Stillstand und Sheriff Gannon lenkte sein Pferd durch die verwirrten Zuschauer zum Ort des Geschehens. Jess folgte in seinem Windschatten, denn es klang, als ob etwas Ernstes passiert sei. Jemand hatte sich verletzt oder war krank.
    »Granny Mae! Hol doch jemand Granny Mae!«, befahl eine energische Stimme, und Jessica bekam einen Kloß im Hals, als sie ihren Besitzer erkannte. Es war Cole Braddock. Sie hatte gewusst, dass sie ihm begegnen würde, aber sie hatte gedacht, sie wäre dann besser darauf vorbereitet.
    »Es ist Eddie«, sagte ein anderer. »Ist einfach vom Wagen gefallen, als wäre er ohnmächtig geworden oder so.«
    Als Jessica sich an einem Zuschauer vorbeidrängte, der ihr im Weg stand, sah sie, wie Cole Eddie auf seine Schulter hievte und ihn zu Granny Maes Café auf der anderen Straßenseite trug. Sie heftete sich an seine Fersen, die schwarze Tasche immer noch fest im Griff.
    Beim Eintreten schlug ihr die vertraute Duftmischung aus Gewürzen und anderen kräftigen Aromen entgegen.
    Jess bahnte sich ihren Weg durch das dicht gefüllte winzige Lokal zu Eddie, der bereits wieder auf den Beinen war, wenn auch noch ein bisschen wackelig.
    Dann glitt ihr Blick zu Cole. In diesem Augenblick verschwamm alles um sie herum, und die Erinnerungen rissen sie mit wie ein tosender Fluss. Sie sah nur noch ihn. Sein Haar, das er immer noch kinnlang trug, die gerade Nase und den festen Mund, die Haltung seiner Schultern.
    »Mae!«, brüllte Cole. »Wo zum Teufel ist Mae? Eddie Cookson ist ohnmächtig geworden und vor meiner Schmiede vom Wagen gekippt.«
    Eddie, der bleich und benommen wirkte, hatte vom Sturz eine klaffende Wunde auf der Stirn. Jess’ Aufmerksamkeit wandte sichautomatisch dem Patienten zu. »Lass mich das mal
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