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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut
Autoren: Wolgang Burger
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wenigen Monaten hatte sein Diensteifer unter seinen ständig wechselnden Liebschaften gelitten. Aber seit er mit seiner Nicole zusammenlebte, wirkte er ausgeglichener, friedlicher und schien sogar ein wenig zuzunehmen. Morgens kam er ordentlich rasiert zum Dienst, und an Montagen wirkte er nicht mehr, als hätte er seit Freitagabend durchgemacht. Dafür achtete er seit neuestem auf die Einhaltung der Dienstzeiten und pünktlichen Feierabend. Balke stammte aus Norddeutschland, was man bei jedem Wort hörte, das er sprach.
    »… eine Spur von Bonnie and Clyde«, hörte ich Vangelis sagen.
    Ich setzte mich gerade hin.
    »Der Saab steht in Malaga auf einem Hotelparkplatz nur wenige Kilometer von der Bank entfernt, wo der erste Schein aus der Beute aufgetaucht ist. Und die zwei – wenn sie es denn sind – haben anscheinend ein Zimmer in diesem Hotel, schreiben die spanischen Kollegen.«
    Irgendein Witzbold bei uns hatte das junge Bankräuber-Pärchen Bonnie and Clyde getauft, da wir bisher nicht einmal ihre Namen kannten. An einem frühen Mittwochmorgen vor gut vier Wochen hatten die beiden den Leiter der Eppelheimer Sparkassen-Filiale mitsamt seiner Frau aus dem Bett geklingelt, ihm zwei großkalibrige Pistolen unter die Nase gehalten und ihn sehr rasch davon überzeugt, dass mit ihnen nicht zu spaßen war. Offenbar nur um seine Entschlossenheit zu demonstrieren, schoss der männliche Täter den Filialleiter in den Oberarm. Die Verletzung war zum Glück nicht weiter schlimm gewesen, aber danach erfüllten die Überfallenen jede Forderung des Gangsterpärchens ohne Zögern oder gar Widerspruch.
    Die Frau, nach Aussage des Ehepaars höchstens Anfang zwanzig, blieb mit der Gattin im Haus zurück, während der einige Jahre ältere Mann zusammen mit dem Filialleiter zur Bank fuhr. Die ganze Zeit über, fast neunzig Minuten lang, hatten die Täter per Handy in Verbindung gestanden, und ihre Drohung war so unmissverständlich wie glaubhaft gewesen: Wenn während der Fahrt oder in der Bank irgendetwas schiefging, dann war der Filialleiter Witwer.
    Es war nichts schiefgegangen.
    In der Bank hatte der Täter zusammen mit seiner Geisel einige Minuten auf die Kassiererin warten müssen, da auch der Filialleiter den Safe nicht alleine öffnen konnte, und die beiden dann gezwungen, die Beute in zwei mitgebrachte Müllsäcke zu stopfen. Am Ende schloss er alle beide im Safe ein und wünschte noch einen angenehmen Aufenthalt, und Minuten später waren Bonnie and Clyde mit etwas über anderthalb Millionen Euro im Kofferraum spurlos verschwunden. Fast spurlos.
    Den Fluchtwagen, einen klapprigen schwarzen Fiesta älteren Baujahrs, entdeckten Spaziergänger gegen Mittag desselben Tages in einem Wäldchen östlich von Lampertheim. Und am nächsten Morgen hatte sich ein Zeuge gemeldet, ein zappeliger Herr in den Siebzigern, der dort oft seinen afghanischen Windhund spazieren führte. Er behauptete, das Fahrzeug gesehen zu haben, mit dem das Pärchen seinen Weg fortsetzte. Ein zwei Tage zuvor in Koblenz gestohlener Saab sei es gewesen, der fast einen Tag lang einsam in einem Waldweg parkte, ganz in der Nähe der Stelle, wo wir später den Fiesta sicherstellten. Und nun stand dieser Saab also seit über einer Woche unberührt auf dem Parkplatz eines sündteuren Hotels am Strand westlich von Malaga.
    »Sie sollen übrigens kaum aus dem Bett kommen, unsere zwei Süßen«, meinte Balke fröhlich. »Wir müssen den Spaniern nur noch bestätigen, dass es die Richtigen sind, und wir haben einen Fall weniger auf der Liste.«
    »Und, sind sie es?«
    Wortlos reichte er mir einige großformatige Fotografien über den Schreibtisch. Das junge Paar eng umschlungen beim Bummel über irgendeine südliche Einkaufsmeile. Auf dem zweiten Foto saßen sie entspannt plaudernd auf einer Parkbank im Schatten einer großen Platane, auf dem dritten waren sie lachend beim Taubenfüttern, und auf den restlichen Bildern aßen sie königlich zu Abend auf einer Terrasse mit Meerblick und Sonnenuntergang.
    Der Mann war groß gewachsen, überschlank und hatte einen mürrischen, leicht hochmütigen Zug um den Mund. Sie dagegen – ein Kind von zwanzig Jahren, das schwarze Haar im praktischen Pagenschnitt, die dunklen Augen voller Staunen und Lebensfreude. Zwei gefährliche Straftäter, beide sicherlich noch immer bewaffnet, strahlend glücklich, sehr verliebt – Bonnie and Clyde.
    »Wie soll man da nicht neidisch werden?«, maulte Balke. »Wir sitzen hier im Dauerregen,
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