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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut
Autoren: Wolgang Burger
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Platz genommen, da klingelte das Telefon. Sönnchen, meine unersetzliche Sekretärin, hatte sich unter zahllosen Entschuldigungen krank gemeldet, deshalb hatte ich unter ihrer telefonischen Anleitung die Gespräche direkt auf meinen Apparat geschaltet. Obwohl der Sommeranfang nicht mehr weit war, grassierte in Heidelberg die Grippe.
    Den Namen der Frau verstand ich wegen der Unruhe im Raum nicht. Nur, dass sie mir etwas Wichtiges mitteilen wollte und sehr aufgeregt war. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass weder sie noch sonst jemand in akuter Gefahr schwebte, bat ich sie, in einer halben Stunde wieder anzurufen.
    Als sie hereinkam, war mir sofort aufgefallen, dass Klara Vangelis sich übers Wochenende äußerlich sehr verändert hatte. Wie üblich kam sie edel gekleidet, heute in einem Designerkostüm aus sandfarbenem Leinen. Auch dieses hatte sie bestimmt selbst geschneidert, wie die meisten ihrer Sachen, die sie sich von ihrem Gehalt niemals hätte leisten können. Dazu trug sie halbhohe, farblich perfekt abgestimmte Pumps und einen absolut unpassenden, dicken Stützverband ums Genick. Und sie machte nicht die Miene, als wollte sie gefragt werden, was ihr zugestoßen war.
    In der üblichen Montagmorgen-Muffeligkeit berichteten meine Leute unter häufigem Gähnen von den bescheidenen Fortschritten ihrer Arbeit. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu und war mit meinen Gedanken und Gefühlen noch im Wochenende. Und auf Sylt.
    Beim sonntäglichen Mittagessen hatten meine Töchter mir nämlich eröffnet, sie seien ab Mittwoch verreist. Klassenfahrt nach Sylt, sechs Tage lang und zweimal zweihundertneunzig Euro teuer, all inclusive außer Getränke und Privatvergnügen. Einer der Vorteile von Zwillingen ist, dass man über viele Dinge nur einmal nachzudenken braucht. Einer der Nachteile ist, dass alles das Doppelte kostet. Auf meine Frage, wieso um alles in der Welt ich das erst jetzt erfuhr, erhielt ich zur patzigen Antwort, vor ungefähr acht Wochen hätte ich einen Wisch unterschrieben, auf dem alles haarklein erklärt sei, und sie könnten ja wohl nichts dafür, dass ich immer alles vergaß. Am Mittwoch würden sie in aller Frühe fahren und – dieser Halbsatz versöhnte mich augenblicklich – erst am Montagabend zurückkommen.
    Ein töchterfreies Wochenende! Welche Möglichkeiten! Wenn ich ein wenig Glück hatte, dann war auch Liebekind unterwegs, was wegen seiner Lehrverpflichtungen an der Polizei-Führungsakademie in Münster gar nicht so selten vorkam, und Theresa und ich konnten noch heute daran gehen, Pläne zu schmieden für zwei herrliche freie Tage.
    Ich bemühte mich, nicht an unpassenden Stellen zu lächeln, während meine Leute ohne mich diskutierten.
    Die Pizza am Sonntag war mir ganz gut geraten, wenn auch der Teig ein wenig zu dick war, was jedoch nur mich störte. Meine Töchter hatten mehr der Form halber ein wenig herumgenörgelt, weil ich nach ihrer Ansicht mit der Salami zu sehr gegeizt hatte. Den Salat, dessen aufwändige Sauce mich eine halbe Stunde Arbeit gekostet hatte, rührten meine Mädchen – wie befürchtet – nicht an. Sarahs Zahnschmerzen waren schon am Samstag verschwunden gewesen, und natürlich sah sie nicht ein, wozu ein Mensch, dem überhaupt nichts fehlte, einen Arzttermin brauchte.
    Das Heidelberger Wochenende war einigermaßen ruhig gewesen, schnappte ich nebenbei auf. Zwei Kneipenschlägereien, eine Festnahme wegen Hehlerei, ein paar Bagatellen, die alle mit Alkohol oder anderen Drogen zu tun hatten. Und mit den Touristenströmen waren natürlich die Taschendiebe zurückgekommen.
    Als die Sprache auf den Bankraub kam, den Klara Vangelis und Sven Balke bearbeiteten, meine besten Mitarbeiter, zwang ich mich zuzuhören. Vangelis, eine ebenso spröde wie verlässliche und intelligente Kollegin, war trotz ihrer jungen Jahre schon Erste Hauptkommissarin. Ansonsten war sie griechischer Abstammung, hübsch, stets sehenswert korrekt gekleidet und mit einem Vater gestraft, in dessen gut gehender Taverne sie abends und an den Wochenenden regelmäßig aushelfen musste. Humor war nicht ihre Stärke. Schon gar nicht, wenn sie mit einem Genickverband verunstaltet war, der das Design ihres Outfits gründlich aus dem Gleichgewicht brachte. Ich entdeckte, dass sie auch eine gut überschminkte Beule an der linken Schläfe hatte. Bei passender Gelegenheit musste ich unbedingt ihren Bürogenossen Balke fragen, was da passiert war.
    Balke nahm das Leben eher von der leichten Seite. Bis vor
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