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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut
Autoren: Wolgang Burger
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Gesicht bemerkte.
    Leider würde unser Abend heute nur kurz sein, denn der Elternstammtisch war nicht erfunden. Es gab irgendein Problem mit der Klasse, welches, hatte ich nicht recht verstanden. Ich hatte auch nicht die geringste Lust hinzugehen, aber meine Töchter lagen mir ständig in den Ohren, ich würde mich viel zu wenig für ihr Fortkommen in der Schule und stattdessen zu sehr für ihre abendlichen Freizeitaktivitäten interessieren.
    Ich erhob mich. »Am Montag lasse ich überprüfen, ob der Name Möricke in unseren Akten auftaucht. Vielleicht ist es ja eine Art Rachefeldzug gegen uns, was er treibt. Wenn es so ist, dann können wir den Spieß umdrehen und seinen Kollegen von der Konkurrenz einen kleinen Hinweis zuspielen. Dann wäre er der Blamierte und würde sich vielleicht ein anderes Ziel suchen für seine Attacken.«
     
    Theresa erwartete mich mit dezent indigniertem Blick. Genau wie ihr Mann konnte auch sie es nicht leiden, wenn man sie warten ließ. Aber ich kam nur dreieinhalb Minuten zu spät, und sie war noch nicht wirklich sauer.
    »Schimpf mit deinem Gatten«, sagte ich nach einem hastigen Kuss. »Er konnte sich wieder mal nicht losreißen von mir.«
    Wie üblich trafen wir uns in der kleinen Wohnung ihrer Freundin Inge in der Blumenstraße, praktischerweise nur ein paar Schritte von meinem Büro entfernt. Ich hatte diese Inge noch nie zu Gesicht bekommen, da sie schon seit über einem Jahr in Sydney arbeitete und lebte. Theresa sah hier ein wenig nach dem Rechten, goss die Pflanzen und missbrauchte in schamlosester Weise Vertrauen, Bett und Bad ihrer ahnungslosen Freundin.
    »Egonchen?«, fragte sie milde und knabberte ein wenig an meinem linken Ohr. »Er hat doch nicht etwa Verdacht geschöpft?«
    »War rein dienstlich. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören. Ab sofort bin ich nämlich im Wochenende.«
    Aufatmend fielen wir aufs Bett und begannen unverzüglich, uns gegenseitig zu entkleiden. Wenn nichts dazwischenkam, dann trafen wir uns zweimal die Woche, und diese wenigen Stunden mit Theresa waren kostbar für mich. Aber heute war ich unkonzentriert. Der Beruf war noch zu nah, meine Leidenschaft halb gespielt, und natürlich blieb das meiner Geliebten nicht lange verborgen.
    »Was ist?« Sie hörte auf, mich zu streicheln. »Stress im Büro oder mit den Töchtern?«
    Ich erzählte ihr Melanie Seiferts Geschichte. Ernst hörte sie zu, während ihre Fingerspitzen über meine Brust strichen.
    »Eure Gefängnisse wären vermutlich ziemlich überfüllt, wenn ihr jeden Kerl einsperren wolltet, der in der Straßenbahn ein Mädchen anbaggert.«
    »Na ja«, seufzte ich, »ganz so harmlos ist die Geschichte nun auch wieder nicht.«
    »Zwischen einem Flirt und sexueller Belästigung liegt eben oft nicht mehr als ein Missverständnis.«
    Theresas Fingerspitzen wanderten abwärts. Ich rollte mich auf den Rücken und genoss ihre Zärtlichkeiten mit geschlossenen Augen.
    »Ich weiß nicht, wie ich darüber denken würde, wenn einer meiner Töchter so was passieren würde. Sie sind kaum jünger als Melanie, und das ist schon ein verflixt gefährliches Alter. Die Mädchen wissen einfach noch nicht, was sie anrichten können, wenn sie einem Mann schöne Augen machen.«
    Unser Gespräch erstarb. Wir konzentrierten uns wieder auf die Sprache unserer Hände. Ich roch Theresas Duft, spürte ihre Haut, die Hitze ihres erregten Körpers, und endlich war mein Kopf nicht mehr im Büro, sondern dort, wo er hingehörte, bei meiner Geliebten, deren Berührungen und Geruch ausreichten, mich in wenigen Minuten die Welt außerhalb dieses Raums vergessen zu lassen. Mit ihr gab es keine gemeinsamen Sorgen, keinen Alltag, zwischen dessen unendlich langsamen aber so elend gründlichen Mühlrädern nicht wenige Beziehungen früher oder später zu Staub zerfielen. Unsere glücklichen Stunden verbrachten wir zusammen, den weniger erfreulichen Rest getrennt.
    Theresa war keine Nymphomanin. Sie war nicht süchtig nach Sex, hatte sie mir einmal gestanden, sie war süchtig nach Sex mit mir, und von Liebe wollte sie nichts hören. Aber auf gewisse Weise liebte sie mich dennoch glühend, dessen war ich mir sicher. Vor einiger Zeit war ich zu der Überzeugung gelangt, dass mein Chef impotent war und seine Frau sich bei mir das holte, was sie bei ihm nicht bekam.
    Endlich gab es in meinem Kopf keine Polizeidirektion mehr, keine Angst, ihr Mann könnte uns auf die Schliche kommen, keine unbeaufsichtigten, ewig herummaulenden
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