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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem
Autoren: Wolfgang Burger
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Wohnung steht aber die meiste Zeit leer«, murmelte der Hausmeister bedrückt. »Dabei ist es die schönste im ganzen Haus. Nur hin und wieder übernachten da Leute, Angestellte der Firma, nehme ich an.«
    »War in den letzten Wochen jemand dort?«, fragte Vangelis.
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    Ich mischte mich ein: »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Dann wäre da natürlich abends Licht gewesen«, erklärte er mit offenem Blick.
    »Sind es immer dieselben?«
    Unglücklich hob er die Schultern. »Das ist ja hier keine Jugendherberge, wo man sich an- und abmelden muss, nicht wahr?«

3
    Ungefähr eine Stunde nachdem wir den Tatort betreten hatten, erinnerte Balke mich mit vorsichtig gewählten Worten daran, dass es an der Zeit sei, die Angehörigen zu benachrichtigen. Seine Blicke ließen keinen Zweifel daran, wessen Aufgabe dies war. Zum zweitenmal an diesem herrlichen Spätsommermorgen wurde mir flau im Magen. Zum einen ist so etwas nie eine angenehme Aufgabe, und zum anderen musste ich mich dazu in Kreise begeben, wo ich mich auch unter weniger tragischen Umständen unwohl fühlte. Wie ich inzwischen erfahren hatte, war der Vater des Opfers, Professor Dr. Dr. h.c. mult. Franz K. Grotheer, Leiter der unfallchirurgischen Abteilung des Universitäts-Klinikums und in seinem Fach eine weltberühmte Kapazität. Seit Jahren munkelte man von einem fälligen Nobelpreis. Ich bat Vangelis mitzukommen. Balke blieb erfreut zurück und versprach, sich den Ferrari anzusehen.
    Diesmal fuhr Vangelis langsamer. Ich hatte etwas von Neuenheim aufgeschnappt und wusste nur, dass es nach Norden, über den Neckar ging. Unser Schweigen war zäh und ungemütlich. Natürlich gab es in dem inzwischen glühend heißen Wagen keine Klimaanlage.
    Der Polizeifunk sorgte für die Unterhaltung. Verkehrsunfall auf der B 37 vor Neckargemünd. Notarzt war unterwegs. In der Akademiestraße hilflose Person, die sich von der al-Quaida verfolgt glaubte. Vermutlich Alkoholdelirium, morgens um zehn. In Eppelheim, jenseits der A 5, war eine Frau aus dem achten Stock eines Hochhauses gestürzt. Da die Ursache unklar und Fremdverschulden nicht auszuschließen war, wurde die Kripo angefordert. Notarzt war unterwegs. Ich wählte meine eigene Nummer und ließ mir von Frau Walldorf bestätigen, dass ein Team unterwegs war und ich mir keine Gedanken zu machen brauchte.
    Ich versuchte, die Zeit zu nutzen, um ein paar Informationen über die Familie Grotheer zu sammeln. Aber das erwies sich als nicht so einfach, weil man mich in der Telefonzentrale der Polizeidirektion noch nicht kannte. Man sprach erst mit mir, nachdem Vangelis mit dürren Worten meine Identität bestätigt hatte.
    Als wir den Neckar überquerten, beschloss ich, das Problem frontal anzugehen. Ich bemühte mich um einen leutseligen Ton:
    »Sie sind Griechin?«,
    »Ich bin in Weinheim geboren, meine Eltern in Griechenland.«
    »Ich dachte eigentlich, Vangelis wäre ein Vorname. Für einen Mann?«
    »Das ist korrekt.«
    »Aber?«
    »Ein Missverständnis.«
    Ihr Blick klebte auf der Straße. Ich räusperte mich. »Hören Sie, Frau Vangelis. Es ist ja nicht meine Schuld, dass nicht Sie die Stelle gekriegt haben, sondern ich.«
    »Das ist mir klar.«
    »Vermutlich wären Sie sogar die bessere Wahl gewesen. Sie kennen den Laden. Sie kennen die Stadt, die Leute.«
    »Aber ich bin eine Frau.«
    Aus dieser Ecke blies mir also der Wind ins Gesicht. »Glauben Sie im Ernst, das hat eine Rolle gespielt?«
    Ich wünschte, sie hätte wenigstens ein einziges Mal in meine Richtung gesehen.
    »Ich glaube das nicht. Ich weiß es.«
    Sie hielt an einer roten Ampel und schien sich ein wenig zu entspannen. Ein Schwarm fröhlich schnatternder Kindergartenkinder überquerte die Straße. Nach einem kleinen Schild an der Hausecke zu schließen, auf dem Weg zum Philosophenweg, einem der bekanntesten Spazierwege der Welt. Schon seit Wochen hatte ich vor, meine Töchter einmal dort hinaufzunötigen. Aber bisher war es ihnen immer gelungen, mich mit den abenteuerlichsten Begründungen abzuwimmeln.
    Die Ampel schaltete auf Grün.
    »Können Sie sich nicht vorstellen, dass wir auch so gut zusammenarbeiten werden?«
    »Haben Sie denn den Eindruck, dass wir nicht gut zusammenarbeiten?«, fragte sie, ohne mit einer ihrer wohl gerundeten Wimpern zu zucken.
    »Nein, so meine ich das natürlich nicht …«
    »Wenn Sie an meiner Arbeit etwas auszusetzen haben, dann sagen Sie es mir bitte. Ich werde mich dann bemühen, mich zu
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