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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem
Autoren: Wolfgang Burger
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Zeit später, wie Vangelis den Männern die Situation erklärte, dann kam sie gemächlich zu uns heraus. Mit ausdruckslosem Blick musterte sie uns, als wollte sie abschätzen, wie viel wir schon wieder vertragen konnten. Sie hielt ein kleines ledergebundenes Notizbuch in der Hand und war praktisch fertig mit den Ermittlungen.
    »Keine Spuren von gewaltsamem Eindringen. Er muss den Täter gekannt haben. Keinerlei Hinweise auf einen sexuellen Hintergrund. Spermaspuren, entsprechende Verletzungen – Fehlanzeige. Soweit ich das bisher beurteilen kann, hat der Täter ihn geknebelt, ans Bett gefesselt und dann …«, endlich musste auch sie schlucken, »… abgestochen.« Sie versenkte das Büchlein in ihrer Handtasche. »Er hat ihm die Pulsadern an beiden Unterarmen aufgeschnitten und ihn langsam verbluten lassen. Das Opfer dürfte seit vier oder fünf Tagen tot sein. Schwer zu sagen, bei dieser Hitze.«
    Unten quietschten die Bremsen eines grauen Passat Kombi. Die Spurensicherung.
    Vangelis fuhr fort: »Was merkwürdig ist: Der Täter hat das Blut teilweise aufgefangen und im Raum verteilt. Hat ein bisschen was von einem Ritualmord. Ich habe so was noch nie gesehen.«
    Ich besann mich darauf, dass ich es war, der hier das Kommando führen sollte. »Irgendwelche Hinweise auf Raub?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sein Portemonnaie liegt neben dem Telefon, und es steckt eine Menge Bargeld drin, Kreditkarten, alles. Die Wohnung sieht auch nicht so aus, als wäre sie durchsucht worden.«
    Ich überlegte kurz. »Wir brauchen mehr Leute. Sagen wir noch fünf. Dann sind wir zu acht, das sollte fürs erste reichen.«
    Balke zückte sein Handy.
    »Wieso acht?«, fragte Vangelis mit hochgezogenen Brauen. »Fünf und zwei …?«
    »Fünf und drei«, verbesserte ich verbindlich lächelnd. »Ich mache mit.«
    Ihre Augenbrauen sanken wieder herab. Sie machte kehrt und ging hinein.
    »Wir zwei knöpfen uns mal den Hausmeister vor«, sagte ich zu Balke, nachdem er das Handy wieder zugeklappt hatte. »Nachbarn dürften ziemlich zwecklos sein. In solchen Häusern wissen die Leute normalerweise nichts über ihre Mitbewohner.«
    Der bärtige Hausmeister, der einen langen, polnisch klingenden Namen führte, hockte in seiner IKEA-Küche in einer dunklen Erdgeschosswohnung, trank mit nervösen kleinen Schlucken große Mengen Pfefferminztee und wusste eine ganze Menge.
    »Student war er, der junge Herr Grotheer.«
    »Student?« Ich dachte an die Einrichtung oben, für deren Gegenwert unsereins sich einen Neuwagen leistet.
    »Ja. Student.«
    Balke führte mit raumgreifender und vollständig unleserlicher Handschrift Protokoll.
    »Dann stammt er wohl nicht gerade aus ärmlichen Verhältnissen?«
    »Der hat einen Ferrari 456 GT mit über vierhundert PS!«, erklärte uns der Mann wichtig.
    Balkes Stift stockte. »Ein 456 GT? Wo steht das Teil?«
    Der Hausmeister wies mit bedeutungsvollem Blick nach unten. »Tiefgarage.«
    Ich hielt Balke am Ärmel fest, um ihn daran zu hindern, den Wagen gleich mal Probe zu fahren.
    »Woher hat der Herr Grotheer das viele Geld? Als Student?«
    »Von seinen Eltern vermutlich. Professor Grotheer«, antwortete der Hausmeister, als wäre damit alles gesagt.
    »Also doch.« Balke signalisierte mir mit einem Seitenblick, dass dieses Thema damit erledigt war.
    »Hat er öfter Besuch gehabt?«
    Bevor unser Zeuge antworten konnte, platzte Klara Vangelis herein. Ohne anzuklopfen natürlich. »Das hier haben wir oben gefunden«, sagte sie in einem Ton, als hätte sie es von Anfang an gewusst, und warf ein Tütchen mit blassgelben Pillen auf den Tisch. »Eine ziemliche Menge.«
    »Drogen?« Balke besah sich die Dinger mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Ecstasy«, stellte ich fest.
    »Und zwar ein bisschen zu viel für den Eigenbedarf«, ergänzte Vangelis.
    Der Hausmeister kopierte uns die Liste der Hausbewohner. Auf den ersten Blick war nichts Auffälliges darunter. Relativ hoher Ausländeranteil, drei junge Angestellte der Universität, ein arbeitsloser Innenarchitekt, eine allein stehende Dame, die als Broterwerb »Körperkünstlerin« angab, worüber Balke gar nicht mehr aufhören wollte zu lachen. Die zweite Penthouse-Wohnung, die gegenüber von Patrick Grotheers lag, gehörte einer Firma.
    »Marvenport and Partners auf Guernsey?«, las ich.
    Der Hausmeister hob die Hände, als hätte ich ihm einen Vorwurf gemacht. »Das ist eine Insel. Im Ärmelkanal.«
    »Ein Steuerparadies«, erklärte Balke überflüssigerweise.
    »Die
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