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Havanna für zwei

Havanna für zwei

Titel: Havanna für zwei
Autoren: M Jackson
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quälen, warum Paul beschlossen hatte, sie und ihren Sohn zu verlassen, wo er doch so viel hatte, wofür es sich zu leben lohnte.
    Deshalb tat sie, was sie immer tat, und rief mitten in der Nacht ihren Freund David in Sydney an. Bis auf ihren Schwager Donal war er der einzige Mensch, der wusste, dass Paul unter so düsteren Umständen gestorben war. Es war ungefährlich, es jemandem anzuvertrauen, der so weit weg lebte, dass er es niemandem aus ihrer Familie weitererzählen konnte.
    Nach dem Telefongespräch hatte sie ein bisschen im Internet gesurft. YouTube bot ihr genügend Ablenkung, bis sie gegen Viertel vor vier von der nächsten Welle der Verzweiflung überrollt wurde. Danach war es Zeit, wieder ins Bett zu gehen, eine Klopapierrolle in Reichweite, um sich die Tränen zu trocknen, bis Finn aufstand und zur Schule musste.
    Der Vormittag war ganz gut verlaufen, bis die Post kam. Sie schaltete den kleinen Wasserkocher aus rostfreiem Edelstahl an, der kurz rauschte, bevor er eine Dampfwolke ausstieß und sich von selbst wieder abschaltete. Sie fragte sich, wie oft sie das am Tag wohl tat. Der Wasserkocher war ihr allerbestes Stück. Emma trank am liebsten Tee. Heiß und stark, nur mit einem Hauch Milch. Paul wusste genau, wie sie ihn haben wollte. Das war eine der vielen Eigenschaften an ihm, die sie vermisste.
    Finn war in der Schule und sah seine Mutter zum Glück nie so aufgelöst. Er war jetzt in dem Alter, wo er lieber mit seinen Freunden zusammen war. Obwohl sie wusste, dass er sie über alles liebte und ihr gegenüber einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte, war ihr auch klar, dass sie den normalen Prozess des Erwachsenwerdens eines Neunjährigen nicht aufhalten konnte. Schon bald würde sie mit den Schwierigkeiten konfrontiert, mit denen allein erziehende Mütter von Teenagern zu kämpfen hatten, und hoffte, dass sie damit klarkäme.
    Emma goss heißes Wasser aus dem Wasserkocher über den Teebeutel im Porzellanbecher. Sie zog sich einen Stuhl heran, der dabei über die Terrakotta-Fliesen schrammte, und setzte sich. Ohne viel Federlesens riss sie das Kuvert auf und zog ein zweites heraus, auf das oben links in der Ecke das Sonnenuntergangs-Emblem eines Reisebüros gedruckt war. Darin steckten drei zusammengefaltete Papierbogen, die wie ordentlich getippte Dokumente aussahen. Ein Prospekt fiel heraus und blieb auf der Tischplatte liegen. Er war knallbunt, mit einer dekorativen Umrandung, und ganz oben prangte das Wort KUBA. Schon wieder Reklame, dachte Emma und hätte den ganzen Kram fast in den Müll geworfen. Stattdessen faltete sie die Briefbogen auseinander und überflog die Dokumente. Bestimmte Schlüsselwörter sprangen ihr ins Auge: Vielen Dank – Buchung – Tickets – beiliegend – Beschränkungen – Visum . Dann eine Reiseroute für zwei Personen. Diese Papiere waren alles, was man für einen zehntägigen Urlaub im sonnigen Kuba brauchte, Abflug in sechs Tagen.
    Emma blinzelte verwundert und las sich die Dokumente noch einmal durch – diesmal sorgfältiger. Die oben auf der Seite aufgedruckten Namen lauteten Mr P. Condell und Ms S. Owens. Ihr Anfangsbuchstabe war falsch. Sie wünschte, dort stünde Mr und Mrs Condell. Damals, nach Finns Geburt, als sie ihren Pass verlängerte, hätte sie den Namen auf ihrem Ausweis ändern sollen … Es war nur ein winziges Detail, doch jetzt, wo sie Paul verloren hatte, verspürte sie den Wunsch, dass sein Name auf ihren Dokumenten stünde. Davor war das nicht wichtig gewesen. Das Buchungsdatum lag sieben Monate zurück – nur wenige Tage bevor Paul ihr so plötzlich genommen worden war. Sie nahm das kleinere Kuvert in die Hand. Es war an Evans adressiert. Wenn Paul veranlasst hatte, ihm die Unterlagen in die Firma zu schicken, musste er es als Überraschung für sie geplant haben … Das war genau die Aufmerksamkeit für Details, die Paul bei allem, was er tat, ausgezeichnet hatte. In seinem Job als Grafikdesigner arbeitete er exakter und präziser als alle Kollegen, ein Charakterzug an ihm, der Emma zur Weißglut gebracht hatte. Doch wie glücklich wäre sie jetzt, die vielen Situationen noch einmal zu durchleben, in denen er kleinlich und pingelig gewesen war, und ihn, der doch auch so süß sein konnte, in den Arm nehmen zu können und noch ein bisschen Zeit mit ihm zu verbringen.
    In den letzten Jahren hatte Emma sich sehnlichst gewünscht, nach Kuba zu reisen und La Finca Vigía zu besichtigen, Ernest Hemingways Haus vor den Toren Havannas, in
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