Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus der Sünde

Haus der Sünde

Titel: Haus der Sünde
Autoren: P Costa
Vom Netzwerk:
ihrem Kimono zerrte, erhob sich nun langsam, wobei sie versuchte, dem Fremden ebenfalls auf die Füße zu helfen.
    »Kommen Sie. Gehen wir nach drinnen. Was halten Sie davon?«, schlug sie vor. Sein unsicheres Wanken beunruhigte sie. Er stand für einen Augenblick da, hielt sich die Ohren zu, und auch seine Augen waren fest geschlossen. Dann schien er sich zusammenzureißen und nickte stumm, um ihr zu zeigen, dass er einverstanden war. Nachdem Claudia die Haustür hinter ihm geschlossen hatte, folgte er ihr ohne Widerrede durch die Eingangshalle in das Wohnzimmer.
    Überraschenderweise war noch immer ›Un Bel Di‹ zu hören, als sie dort eintraten. Die ganze melodramatische Vorstellung auf der Türschwelle konnte also nicht viel länger als eine Minute gedauert haben.
    »Setzen Sie sich«, lud sie ihren ungewöhnlichen Flüchtling ein und zeigte auf das Sofa. Gehorsam durchquerte er das Zimmer
und ließ sich dort nieder. Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und stieß einen tiefen Seufzer aus. Sein Brustkorb hob und senkte sich so heftig, als hätte er gerade einen Marathonlauf hinter sich gebracht.
    Claudia starrte ihn stumm an.
    Wer bist du, hätte sie ihn am liebsten gefragt, doch er schien unter Schock zu stehen und wirkte derart verwirrt, dass es sehr wenig einfühlsam gewesen wäre, ihn auf der Stelle zu befragen. Dennoch hätte sie sich am liebsten erkundigt, welche Rolle er spielte und warum er dazu diese Kleidung trug.
    Unten am Fluss war sie von dem nackten Mann derart verzaubert gewesen, dass sie seinen Klamotten kaum Beachtung geschenkt hatte. Doch jetzt faszinierte sie seine seltsame, ungewöhnliche Ausstattung.
    Was sie zuerst für ein Jackett gehalten hatte, war in Wahrheit ein langer Gehrock aus schwarzen Samt, wie zur Zeit König Edwards VII. Dazu trug er eine graue Hose, eine schwarz-grau gestreifte Brokatweste und ein weißes Hemd mit großem Kragen, der offen stand, sodass man seine Brust sehen konnte. Um den Hals hatte er einen schweren, grauen Seidenschal geschlungen. Das ganze Ensemble war zerknittert und verschmutzt – vor allem das Hemd -, und auf dem hellen Stoff seiner Hose konnte man deutlich Grasflecken erkennen. Dennoch strahlte der Fremde eine Aura vergangener Eleganz aus. Es konnte sich bei ihm auf keinen Fall um einen Aussteiger handeln. Er wirkte vielmehr wie ein Flüchtling aus dem Viktoria & Albert Museum in London oder wie eine Wachspuppe aus Madame Tussauds Kabinett, die zum Leben erweckt worden war.
    Plötzlich richtete er sich auf, zuckte jedoch sogleich wieder zusammen, als täte die ruckartige Bewegung seinem Kopf weh. »Es tut mir Leid«, murmelte er. »Ich störe bestimmt … Es ist besser, ich gehe.« Er unternahm einen halbherzigen Versuch aufzustehen, kam jedoch sogleich ins Schwanken und ließ sich
wieder aufs Sofa fallen. Claudia eilte zu ihm und kniete sich vor ihm nieder.
    »Sie sind verletzt«, sagte sie und blickte ihn aufmerksam an. Der Mann war ganz offensichtlich sehr verwirrt, auch wenn er weiterhin etwas Engelhaftes an sich hatte. Sie wünschte sich, dass er seine Augen wieder öffnen würde, doch er schien immer wieder für einige Momente das Bewusstsein zu verlieren. Beunruhigt berührte sie seinen Arm. »Ich rufe lieber den Notarzt … Man sollte sich um Sie kümmern, Sie untersuchen. Sie müssen ins Krankenhaus.«
    Er riss die Augen auf. Sie hatten eine hellblaue Farbe, die beinahe an Glas erinnerte, und als er sie nun auf Claudia richtete, lief es ihr herrlich eiskalt den Rücken hinunter. »Bitte, machen Sie sich keine Mühe. Ich bitte Sie!« Er legte seine Hand auf die ihre, und das wunderbare Gefühl in ihrem Inneren wandelte sich in Erregung. »Es geht mir schon wieder besser … Ich muss nur für einen Augenblick hier sitzen bleiben. Bald bin ich wieder fort … Ich werde Sie nicht länger belästigen.«
    Claudia biss sich auf die Unterlippe, als er sich wieder zurückfallen ließ und sich seine Augenlider erneut schlossen. Der Mann hätte bestimmt einen Arzt gebraucht, doch tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie keinen rufen wollte. Sie wollte ihn für sich allein, zumindest noch für eine kurze Zeitspanne. Sie wollte ihn betrachten und diesen wunderbaren kleinen Schatz noch ein wenig genießen.
    Lügnerin, beschuldigte sie die Stimmen der Lust in ihrem Inneren. Du willst nicht nur schauen, du willst ihn berühren! Du willst mit ihm schlafen! Du willst seinen schwachen Zustand ausnützen und seine Schönheit genießen!
    Hör auf der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher