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Hannahs Entscheidung

Hannahs Entscheidung

Titel: Hannahs Entscheidung
Autoren: Kate Sunday
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Truckfahrer auszuweichen. Eine Welle der Übelkeit überrollte sie. Nicht jetzt, bitte. Sie biss die Zähne zusammen, versuchte, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. An der nächsten Kreuzung bog sie ab, um sich auf der Interstate Richtung Süden einzufädeln. Sie schaltete in den nächsten Gang, drückte das Gaspedal durch und sandte ein Stoßgebet gen Himmel. Hoffentlich lauerte an diesem Morgen kein arbeitseifriger Cop am Straßenrand! Die furchtbaren Bilder der letzten Stunde schossen ihr durch den Kopf. Bilder, von denen sie ahnte, dass sie sie für den Rest ihres Lebens verfolgen würden. Sie zwang sich, ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Es war Zeit, all dies hinter sich zu lassen. Am liebsten würde sie die vergangenen Jahre aus ihrem Leben löschen wie Kreide mit einem Schwamm von der Tafel. Als hätten sie niemals existiert. Doch wie war das möglich, wenn es etwas gab, das sie für immer mit Shane verbinden würde? Ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen, zog sie ihre Handtasche vom Beifahrersitz. Sie fischte das Handy heraus und wählte die vertraute Nummer, die sie nie vergessen hatte.
     
    *
     
    Tayanita Taylor saß im Schneidersitz auf einer Decke im taubenetzten Gras. Die Sonne war gerade im Begriff, sich hinter den von blauem Dunst verhüllten Bergen emporzuschieben. Tayanita atmete tief ein, genoss das Prickeln auf ihrer Haut, als der Morgenwind darüberstrich. Schon bald würde die frische Luft, wie so oft im Sommer, einer drückenden Schwüle weichen, die manchen Fremden überrascht nach Luft schnappen ließ. Seit sie vor dreißig Jahren als junges Mädchen ihr Dorf und die Gemeinschaft in den Bergen verlassen hatte, waren ihr das Klima, die Natur, die Menschen und Tiere der Foothills so vertraut geworden wie die eigene Stimme. Sie liebte die sanfte Hügellandschaft, die wilden, sich windenden Flüsse und den Blick auf die Mischwälder der Appalachen, die im Herbst in leuchtenden Farben glühten. Tayanita schloss die Lider, um sich dem Zauber des Augenblicks hinzugeben. Ein forderndes Bellen erklang, und eine feuchte, warme Schnauze stupste gegen ihre Hand.
    »Tsali, komm her .« Tayanita griff nach dem mit bunten Perlen besetzten Hundehalsband und zog das Tier zu sich heran. »Schon zurück von deinem Spaziergang?«
    Die Hündin gab einen zufriedenen Laut von sich, bevor sie sich an ihrer Seite niederließ.
    Gelassenheit und die Gewissheit, dass stets alles so geschah, wie es vorherbestimmt war, lagen in Tayanitas Blick, als sie die ferne Hügelkette betrachtete. Sie war es gewohnt, Dinge zu sehen, die anderen Menschen verborgen blieben. Eine Melodie geisterte durch ihren Kopf, eine Melodie, so alt wie die Legenden ihrer Vorväter. »Ich habe das Gefühl«, sagte sie zu Tsali, »dass heute noch etwas geschehen wird.«
    Aufmerksam blickte die Hündin ihre Herrin an. Sie öffnete das Maul und es schien, als ob sie lächelte.
    Liebevoll kraulte Tayanita Tsalis Flanke. »Du wirst schon sehen. Und nun komm.« Sie erhob sich, strich glättend über ihren bunt bedruckten Baumwollrock. Bei der Bewegung klirrten die unzähligen silbernen Armreife, die ihre Handgelenke schmückten. Leises Donnergrollen ließ Tsali die Ohren spitzen. Ein Windstoß verfing sich in Tayanitas taillenlangem Haar. Sie hob den Kopf, um den Himmel zu studieren. Von Westen näherte sich eine bedrohliche Wand bleigrauer Wolken. »Das Wetter ändert sich«, murmelte sie, mehr zu sich selbst. »Ich denke, da braut sich ein Sturm zusammen. Sicher wird es bald zu regnen beginnen.« Sie tätschelte Tsali, die sich an ihre Beine schmiegte. »Lass uns nach Hause gehen.« Mit der dunklen Hündin an ihrer Seite überquerte sie die Wiese, auf der die Gallowayrinder von Harvey Brickman grasten, und strebte dem nahen Hügel zu. Dort, versteckt inmitten einer Gruppe von mächtigen Eichen, stand ihr Wohnwagen. Im nahen Laubwald schrie ein Käuzchen, um den neuen Morgen zu begrüßen.
     
    *
     
    Sam Parker trommelte mit ungeduldigen Fingern auf der blank polierten Oberfläche seines Kirschholzsekretärs. Eine gefühlte Ewigkeit schon starrte er auf den Bildschirm seines Laptops. Es schien keine Worte zu geben, mit denen er die leere Seite füllen konnte, keine Idee, die ihn zu einer Geschichte inspirierte. Er seufzte tief, schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Mit einem letzten frustrierten Blick auf den Schirm verließ er das lichtdurchflutete Wohnzimmer. Er durchquerte den Flur, um hinüber in die behagliche Wohnküche zu
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