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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau
Autoren: Bauer Angeline
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er suchte. Sie haßte es, daß er sich immer wieder in ihr Leben drängte und versuchte, ihr Schicksal zu bestimmen. Nun würde er in die Kutsche sehen, und natürlich würde er sie erkennen – trotz der Männerkleidung und der Perücke, die sie trug!
    Um ihm zuvorzukommen, beugte sie sich ein zweites Mal aus dem Fenster, sah Doyen finster an. »Warum sind Sie mir nachgereist! Ich werde kein Wort mit Ihnen wechseln – nicht jetzt und nicht hier. Wenn Sie etwas von mir wollen, warten Sie, bis wir in Lagny sind und Rast machen.«
    Ein paar Sekunden starrte er sie verblüfft an. Seine dunklen Augen blitzten, die Kälte, die er ausstrahlte, ließ Mélanie schaudern. »Gut«, sagte er schließlich. »Ich werde voraus reiten und Sie erwarten.« Er gab dem Braunen die Sporen und ritt in gemäßigtem Galopp davon.
    Aufatmend ließ sich Mélanie zurücksinken. Fürs erste war sie ihn los. Aber was würde folgen? Weshalb war er ihr nachgekommen?
    Mélanie saß nicht allein in der Kutsche. Ein Ehepaar reiste mit ihr. Der abweisende Blick des Mannes streifte sie. Vermutlich hatte er erkannt, daß sie eine Frau war, die sich in Männerkleidern versteckte, aber er wahrte die Form und nannte sie Monsieur Gohier; so hatte sie sich ihm und seiner Begleiterin vorgestellt.
    Die Frau hieß Sabine, ihr Gatte Charles Delacroix. Sie war vielleicht sechsundzwanzig, er mußte mindestens zehn, vielleicht zwölf Jahre älter sein. Das Gesicht, die ganze Gestalt der jungen Frau war schmal und blaß, ihre Augen waren seltsam glanzlos, und der Blick schien nach innen gerichtet.
    So sehen nur Menschen aus, die ein großes Leid mit sich tragen und sich aufgegeben haben, dachte Mélanie bei sich. Kein Wunder an der Seite eines Mannes wie dieses Delacroix! Er war ein Tyrann, schikanierte seine Frau herum. Er hatte kein freundliches Wort für sie übrig, keine Geste der Achtung und Zuneigung.
    Zwanzig Minuten später hielt der Kutscher vor der Poststation. Er hatte sein Signal auf dem Horn gespielt, jetzt rief er »Lagny!« vom Kutschbock herunter. »Sie können sich hier die Beine vertreten und sich im Gasthaus erfrischen!«
    Delacroix zog eine Uhr aus seiner Westentasche, warf einen Blick darauf. »Ich gebe Ihnen fünfzehn Minuten, Madame«, sagte er, ohne seine Frau anzusehen. Er stieg aus, sie kletterte ihm nach. Er half ihr nicht, obwohl ihre Röcke sie behinderten.
    »Warten Sie, Madame!« Mélanie sprang aus der Kutsche und reichte ihr die Hand.
    »Danke.« Der Hauch eines Lächelns zeigte sich auf dem kränklichen Gesicht der Frau.
    Während Sabine Delacroix ins Gasthaus ging, blickte Mélanie sich nach Doyen um. Zuerst entdeckte sie den Braunen, er wurde von einem Knecht versorgt. Dann sah sie Dr. Doyen ein Stück abseits an einem Baum lehnen. Er trank aus einem Krug und schaute zu ihr herüber.
    Mélanie ging auf ihn zu, schob dabei die Daumen in die kleinen Taschen ihrer Hose. Sie hatte diesen und noch einen anderen Anzug vom Schneider ihres Bruders fertigen lassen. Er war nach der neuesten Mode entworfen. Der dunkelgrüne Gehrock leicht tailliert und mit langem Schoß, darunter zwei Westen in hellem Gelb, die Handschuhe etwa in derselben Farbe. Kragen und Halsbinde waren weiß, die Hosen, in hellem Grau, waren wie zur Zeit üblich etwas enger geschnitten. Dazu ein schwarzer Zylinder und schwarze Schuhe aus feinstem Leder. Und noch etwas trug Mélanie bei sich, etwas, das niemand sehen konnte, das ihr aber eine gewisse Sicherheit verlieh – ein Messer. Sie hielt es so unter dem Gehrock verborgen, daß sie schnell und unauffällig danach greifen konnte.
    Dr. Pierre Doyen hatte sie abfällig gemustert. Als sie nun vor ihm stehenblieb, sagte er: »Ich finde es abstoßend, ja lächerlich, daß Sie sich wie ein Mann kleiden!«
    »Ich hatte Sie nicht um Ihr Urteil gebeten, Monsieur.«
    »Nein, das hatten Sie nicht. Trotzdem.«
    »Darf ich wissen, weshalb Sie mir gefolgt sind?«
    »Um Sie vor einem großen Fehler zu bewahren. Ich habe von Ihrer Haushälterin erfahren, daß sie nach Deutschland zu diesem Dr. Hahnemann unterwegs sind. Ich bin entsetzt, Madame! Wie kommen Sie nur auf den Gedanken, dieser … dieser Scharlatan könnte Ihnen ernsthaft helfen?«
    »Nun, ich habe seine Bücher gelesen. Sein Organon, und ebenso Die chronischen Krankheiten. Seien Sie versichert, er ist alles andere als ein Scharlatan.«
    »Papier ist geduldig.« Doyen lachte abfällig.
    »Aber ich nicht, Monsieur. Wenn Sie wirklich nur hier sind, um mich zum
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