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Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Titel: Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Autoren: Aufbau
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von keinem aktuellen Fall, wenn Sie das meinen. Und er würde mir erzählen, wenn er Ärger hätte – ganz sicher.«
    Romy steckte nach kurzem Überlegen ihren Block ein und stand auf. »Danke vorerst. Wir kommen sicherlich noch mal auf Sie zurück, Herr Bittner.«
    Der Fabrikbesitzer erhob sich ebenfalls und begleitete sie zur Tür. »Der Mann war erst fünfundvierzig«, sagte er leise. »Im besten Alter, wie man so schön sagt. Letztens erzählte er noch, wie stark und fit er sich fühle. Ich …«
    Moritz war gerade vierzig geworden, fuhr es Romy durch den Kopf, und bevor sie den Gedanken daran hindern konnte, hatte er schon ihr Herz erreicht. Auf dem Weg zum besten Alter. Eine verschleppte Grippe hatte sich in seinem Herzen eingenistet und ihm den Garaus gemacht. Innerhalb von Sekunden. Bei Kilometer sechsunddreißig, wo Ramona mit Apfelsaft und Banane gewartet hatte, um seine leerenKohlenhydratspeicher für den Endspurt aufzufüllen. Er hatte persönliche Bestzeit laufen wollen.
    Sie verabschiedete sich und lief eilig die Treppe hinunter. Vor der Tür wartete bereits Kasper. Sein tiefblauer Blick huschte prüfend über ihr Gesicht. »Alles klar?«
    »Hm, fürs Erste ja.« Sie sah kurz hinüber zur Mole und zum Leuchtturm. »Wir sollten ihn in den nächsten Tagen zum Protokoll bitten.«
    »Machen wir.«
    »Habt ihr noch was gefunden?«
    »Nö. Die Jungs brechen gerade ab«, erläuterte Schneider. »Es geht gleich morgen früh bei Tageslicht weiter. Fahren wir zusammen zur Witwe?«
    »Machen wir gleich.« Romy zog ihren Rollerschlüssel aus der Tasche. »Aber sag erst mal was zu dem anonymen Anruf. Gibt’s da schon was Genaueres?«
    Kasper kratzte sich am Hinterkopf. »Männliche Stimme, wahrscheinlich verstellt. Kurzer und knackiger Hinweis, wo wir Kai Richardt finden. Ende.«
    »Und wann genau war das?«
    »Kurz vor achtzehn Uhr.«
    »Wer hat den Anruf angenommen?«
    »Fine. Ich hab mir die Aufnahme zweimal angehört.«
    Fine Rohlbart war die entscheidende Frau im Innendienst des Kommissariats. Mädchen für alles seit über fünfundzwanzig Jahren. Wobei »Mädchen« für ihre wuchtige Erscheinung denkbar unpassend war, aber diese Meinung behielt man besser für sich.
    »Was meinst du – wollte er einen Hinweis auf einen Toten oder einen Verletzten geben?«, hakte Romy nach.
    Kasper überlegte einen Moment. »Gute Frage. Da ist beides drin.« Er nickte. »Ja. So oder so.«
    »Und warum ruft er die Polizei in Bergen an und nicht die in Sassnitz?« Sie wies mit dem Daumen über die Schulterin Richtung des nur wenige Meter entfernten Polizeigebäudes.
    »Keine Ahnung. Vielleicht Zufall.«
    Romy runzelte die Stirn. »Nun gut, lass uns mal zusammenfassen«, meinte sie dann. »Samstagmorgen fährt Kai Richardt mit seinem Rad hier aufs Gelände, hält einen kurzen Plausch mit Bittner und wird danach nicht mehr gesehen. Sonntagabend, also anderthalb Tage später, meldet sich ein anonymer Anrufer. Geschätzter Todeszeitpunkt: heute Morgen … Hm.«
    »Wollte ich auch gerade sagen.«
    »Lass uns fahren.«
     
    Familie Richardt bewohnte auf einem abgelegenen Grundstück, das nur über eine schmale holprige Nebenstraße zu erreichen war, ein prachtvolles, reetgedecktes Fachwerkhaus mit großem Garten und Blick auf den Kleinen Jasmunder Bodden, über dem eine zierliche Mondsichel stand. Wahrscheinlich hört man bei offenem Fenster das Wispern des Schilfs und das Geschrei der Seevögel, dachte Romy. Und in der frostigen Jahreszeit kriechen Eisblumen über die Scheiben und leuchten im kalten Licht der Wintersonne. Das reinste Idyll. Bis jetzt jedenfalls.
    Sie klingelte, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Sie legte sich niemals Worte zurecht. Vorformulierte Sätze waren wie Schablonen, die nie richtig passten. Sie musste erst den Menschen sehen, dem sie die Todesnachricht zu überbringen hatte.
    Von drinnen ertönte Kindergeschrei.
    »Geh bitte nach oben«, war eine weibliche Stimme zu hören. Ihr Ton war drängend. »Es ist schon spät. Ich komme gleich nach.«
    »Es hat aber geklingelt!«, beharrte das Kind – eine Junge, wie Romy annahm.
    »Ich weiß. Aber du gehst jetzt auch nach oben zu deiner Schwester.«
    »Ooch …«
    Die Tür wurde einen Augenblick später geöffnet. Eine zierliche Frau mit kastanienbraunem mittellangem Haar und püppchenhaftem Gesicht öffnete. Romy schätzte sie auf vierzig, wobei Vera Richardt zu den Frauen gehörte, die viel dafür taten, auf unaufdringliche Weise jünger zu wirken. Ihr
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