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Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Titel: Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Autoren: Aufbau
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hin. Der nickte ebenso beiläufig zurück.
    Der Mann muss mal sehr gut ausgesehen haben, dachte sie – bevor man ihm den Schädel eingeschlagen hatte. George-Clooney-Typ, aber drahtiger und durchtrainierter – vermutete sie zumindest, ohne George Clooney mit dieser Einschätzung zu nahe treten zu wollen. Sie tastete nach seinem Nacken und prüfte, ob der Kopf noch beweglich war. In ähnlicher Weise kontrollierte sie Kniegelenke und Ellenbogen. Die Totenstarre war fast vollständig ausgebildet. Richardt war also mindestens seit acht, angesichts der niedrigen Temperaturen im Keller wahrscheinlich zehn oder sogar schon zwölf Stunden tot.
    »Man hat ihn ziemlich übel zugerichtet«, bemerkte sie und erhob sich wieder. »Ohne dem Rechtsmediziner vorgreifen zu wollen: Ich schätze, der ist heute Morgen gestorben.«
    Von oben waren plötzlich Stimmen und Schritte zu hören, die sich schnell näherten. Zwei Kriminaltechniker in weißen Schutzanzügen eilten die Treppe herunter. Der ältere von beiden, ein hagerer Mann mit stechend blauen Augen, runzelte die Stirn, als er die beiden Kommissare bemerkte. Romy zeigte ihm rasch ihre behandschuhten Hände.
    »Wir machen euch sofort Platz, Kollegen«, versicherte sie.
    »Besser ist es.«
    »Könnt ihr mir Aufnahmen …«
    »Wir machen das nicht zum ersten Mal«, unterbrach der Hagere sie ruppig. »Wer sind Sie überhaupt?«
    Romy wischte die wütende Entgegnung, die ihr auf der Zunge lag, mühsam beiseite und zwang sich zu einem Lächeln. »Darf ich mich vorstellen? Ich bin die neue leitende Kommissarin aus Bergen: Ramona Beccare, und ich verschaffe mir gerade einen Überblick über den Tatort.«
    »Ach ja …« Er nickte. Ein Anflug von Unsicherheit stahl sich über das Gesicht des Hageren. »Hab davon gehört. Die Italienerin.«
    »Nicht ganz«, gab Romy zurück, ohne den genervten Tonfall zu überdecken. »Ich bin in Deutschland geboren – in München. Allerdings ist mein Vater in Neapel zur Welt gekommen.« Sie hob die Brauen. »Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht allzu enttäuscht.«
    »Aha. München. Verstehe.« Er runzelte die Stirn und warf Kollege Schneider einen fragenden Blick zu. »Na gut. Wir machen dann mal unsere Arbeit.«
    »Jo«, meinte Kasper zustimmend. »Nur zu.«
    Ramona ging jede Wette ein, dass für den Kriminaltechniker zwischen München und Neapel lediglich ein gradueller Unterschied bestand. Wenn überhaupt.
    »Ich möchte Detailaufnahmen von den Fesseln«, sagte sie ruhig.
    »Kriegen Sie.« Der Mann wandte sich ab, ohne die Kommissarin noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Romy drehte sich zur Treppe um. »Ist es hier passiert?«, fragte sie Kasper, während sie hochgingen.
    »Sieht ganz so aus. Kampf- und Blutspuren sind bislang auf dem Gelände nicht gesichert worden. Aber die Kollegen haben ja ihre Arbeit gerade erst aufgenommen.«
    Romy atmete erleichtert auf, als sie wieder ins Freie traten. Ihr Blick fiel auf einen hochaufgeschossenen, schlaksigen Mann in auffallend feinem Zwirn, der direkt hinter der Absperrung neben zwei Polizisten stand und zu ihnen herüberstarrte.
    »Ist das Bittner?«, fragte sie Kasper.
    »Ja, das ist er. Willst du gleich mit ihm reden?«
    »Gute Idee. Kümmerst du dich um den anderen Kram hier?«
    Schneider nickte. Romy ging auf den Mann zu, der sichtlich mitgenommen wirkte. »Herr Bittner?«
    »Ja.« Er sah sie zugleich ernst und verdutzt an. »Sind Sie auch von der Polizei?«
    »Kommissarin Beccare aus Bergen«, stimmte Romy zu. »Ich leite die Ermittlungen. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten? In Ihrem Büro vielleicht?«
    Bittner nickte und führte sie zum Bürotrakt. Romy hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Das Chefbüro befand sich im ersten Stock. Der Raum war groß, hell und freundlich. Großformatige Fotos mit typischen Rügenmotiven – die Kreidefelsen, Kap Arkona, der Große Jasmunder Bodden, Insel Vilm, Ralswiek, wo die Störtebeker-Festspiele stattfanden – schmückten neben Aufnahmen von alten Fischkuttern und romantisch-wilden Strandszenen die Wände. Das einzelne Bild einer imposanten Buche musterte Romy eine ganze Weile. Sie hätte fast eine Wette darauf abgeschlossen, dass der Maler im Jasmund unterwegs gewesen war, wo es den ihrer Ansicht nach schönsten Buchenwald der Welt gab. Schließlich wandte sie sich dem Fabrikbesitzer zu.
    »Nehmen Sie doch Platz«, sagte Thomas Bittner und machte eine fahrige Handbewegung in Richtung einer ledernen Sitzecke vor einer breiten Fensterfront.
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