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Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Titel: Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Autoren: Aufbau
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erneut in den Sattel zu schwingen, sah Richardt sich zunächst unauffällig um, bevor er dann – das Rad locker mit einer Hand neben sich herschiebend – bis ans Ende der Fischfabrik schlenderte. Tim glaubte nicht, dass er sich nur die Beine vertreten und einen Blick auf die geschwungene und zugegebenermaßen eindrucksvolle Fußgängerhängebrücke werfen wollte, die Hafen und Stadtzentrum miteinander verband. Steffen richtete sich auf und folgte ihm in gebührendem Abstand.
    Auf dem Fabrikgelände war wenig los. Zwei Männer standen im Gespräch vertieft an einem offenen Tor und sahen nicht mal zur Seite, als Steffen vorbeiging. Auch Richardt hatten sie keines Blickes gewürdigt. Ein LKW fuhr rumpelnd vom Hof. Eine frische Brise trug das Geschrei der Möwen und den satten Klang eines Schiffshorns herüber. Richardt beschleunigte aus unerfindlichen Gründen plötzlichseine Schritte und bog um die Ecke. Steffen musste sich sputen, um zu ihm aufzuschließen.
    Hinter der Fabrik und dem Bürotrakt verwaisten einige alte abgelegene Gebäude in trübem Graubraun, die teils zerfielen, teils als Lager- und Geräteschuppen genutzt wurden, wie Steffen vermutete. Zwischen den Gebäudeteilen stand dürftiges Gras; ein mindestens zwanzig Jahre alter LKW samt Anhänger verrottete; ausrangierte Fischkisten und zerschlissene Seile dümpelten vor sich hin; aus einem ausgeschlachteten Trabant quoll Unrat. Ein Ort für Ratten. Betreten verboten.
    Steffen schlich gebückt hinter einen Schuppen und beobachtete mit angehaltenem Atem, wie der Mann gerade das Tor eines langgestreckten Backsteingebäudes mit zwei blinden vergitterten Fenstern öffnete und sein Rad hineinschob. Das Tor klackte leise, als das Schloss hinter ihm zuschnappte.
    Steffen runzelte die Stirn. Er griff nach seinem Handy und rief Tim an, um ihm mit gedämpfter Stimme Bericht zu erstatten. Die Anweisung, die er nach kurzer Pause erhielt, war unmissverständlich.
    Steffen stand auf, straffte die Schultern und sah sich aufmerksam um, bevor er mit eiligen und leisen Schritten zum Tor hinüberlief und lauschte. Im Gebäude war es still, und das Tor ließ sich nicht öffnen. Steffen verharrte. Nach etwa zehn Minuten hörte Steffen plötzlich Schritte und leises Pfeifen. Dann knarzte es, und das Tor wurde ein Stück zur Seite geschoben.
    Steffen fuhr herum, schob sich blitzschnell in den Spalt und schlug den Typen nieder, bevor der auch nur einen Mucks von sich geben konnte. Er verriegelte das Tor von innen, fesselte und knebelte den Mann und nahm sein Handy an sich. Dann wartete er auf Tim.

1
    Kommissarin Ramona Beccare war erleichtert, als das Telefon klingelte und Kollege Kasper Schneider ihr Wochenende am Sonntagabend vorzeitig beendete. Sie war gerade in ihre Wohnung nach Binz zurückgekehrt: Salzgeruch auf der Haut und das aufgewühlte Meer noch vor Augen. Moritz im Herzen. Melancholisch bis auf die Knochen und gar nicht italienisch temperamentvoll, wie man es ihr gerne nachsagte, geschweige denn unbeschwert und fröhlich.
    Sie legte den Motorradhelm auf die Küchenbank, schüttelte ihr schwarzes lockiges Haar zurecht und meldete sich nach kurzem Blick aufs Display. »Guten Abend, Kollege. Gibt es Arbeit für uns?«
    »Kann man so sagen. Üble Sache«, erwiderte Schneider nach knapper Begrüßung. Er klang angestrengt. Das war selten.
    »Geht das genauer?«
    »Jo – ’ne Leiche auf dem Gelände hinter der Fischfabrik am Sassnitzer Hafen. Vorher gab’s ’nen anonymen Anruf.«
    Mehr hatte er im Moment nicht zu sagen. Die Kommissarin seufzte. Kasper Schneider war wie die meisten Rüganer nicht gerade als exzessiver Redner oder leutseliger Plauderer verschrien. Das war häufig hilfreich, zeitsparend und angenehm, manchmal jedoch nervtötend und mühsam.
    In Rostock und Schwerin, wo Ramona Beccare, genannt Romy, in den vergangenen Jahren als Ermittlerin in verschiedenen Mordkommissionen gearbeitet hatte, bevor sie vor einem guten halben Jahr als leitende Kommissarin nach Bergen auf Rügen wechselte, war es im Gespräch auch selten ausschweifend zugegangen. Romy war also mit einer gewissennördlichen Sturheit durchaus vertraut und hatte bereits gelernt, ihr südländisches Temperament zu zügeln. Besser gesagt: Sie bemühte sich immer wieder darum, und der Lernprozess war noch lange nicht abgeschlossen.
    So nahm sie die landestypisch verbale Zurückhaltung ihres Kollegen Kasper Schneider meist gelassen zur Kenntnis. Der Mann war ein hervorragender Organisator mit einem
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