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Hades

Hades

Titel: Hades
Autoren: Alexandra Adornetto
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wie ein sicherer Kokon, weit weg von den Turbulenzen der Welt. Denn auch wenn ich das Leben der Menschen liebte, machte es mir manchmal Angst. Es gab so viele Probleme auf der Erde, Probleme, die oft zu groß und zu komplex waren, um sie wirklich zu verstehen. Darüber nachzudenken, bereitete mir Kopfschmerzen und gab mir das Gefühl, nutzlos zu sein.
    Aber Ivy und Gabriel hatten mich gebeten, meine Energie nicht mit sinnlosen Gedanken zu verschwenden, sondern mich auf unsere Mission zu konzentrieren. Man erwartete von uns, dass wir auch andere Städte und Ortschaften in der Nähe von Venus Cove aufsuchten und alle dunklen Mächte vertrieben, die sich dort eingenistet hatten. Wir wussten sehr wenig über sie, und es bestand die Gefahr, dass sie uns fanden, bevor wir die Chance hatten, sie aufzuspüren.
    Meine Geschwister saßen auf der Terrasse. Beide waren mit sich selbst beschäftigt: Ivy steckte mit der Nase in einem Buch, und Gabriel komponierte tief konzentriert auf seiner Gitarre. Seine geschickten Finger massierten sanft die Saiten, die auf seine stillen Befehle zu antworten schienen. Ich gesellte mich zu ihnen und beugte mich herunter, um meinen Hund Phantom zu tätscheln, der geräuschvoll schlief. Sein Kopf ruhte auf seinen riesigen silbrigen Pfoten, sein silberfarbener Körper wirkte so geschmeidig wie immer. Durch meine Berührung erwachte er, sah mit seinen traurigen mondfarbenen Augen zu mir auf, und ich glaubte in ihnen die Frage zu lesen: Wo warst du den ganzen Tag?
    Ivy war über ihrem Buch in der Hängematte eingeschlafen. Ihr goldenes Haar, das ihr lose bis zur Taille hinabfiel, sah in dem fahlen Sonnenlicht aus, als würde es strahlen. Meine Schwester hatte noch nicht ganz begriffen, wie man sich in einer Hängematte entspannte, sie wirkte irgendwie wachsam und erinnerte mich an eine mythische Kreatur, die man von jetzt auf eben in eine Welt geworfen hatte, die für sie keinen Sinn ergab. Sie trug ein pastellblaues Baumwollkleid und hatte trotz des bedeckten Himmels einen Sonnenschirm mit Rüschen aufgestellt. Garantiert hatte sie ihn in irgendeinem Secondhand-Laden gefunden und nicht widerstehen können, ihn zu kaufen.
    «Wo hast du denn den her?», fragte ich lachend. «Solche Dinger sind bestimmt schon seit einer ganzen Weile aus der Mode.»
    «Also, ich finde ihn charmant», sagte Ivy schläfrig und legte den Roman weg, den sie gelesen hatte. Ich warf einen Blick auf das Cover.
    «Jane Eyre?» , fragte ich erstaunt. «Du weißt schon, dass das eine Liebesgeschichte ist, oder?»
    «Ja, das ist mir bewusst», sagte sie schnippisch.
    «Du wirst noch wie ich», foppte ich sie.
    «So aufgedreht und albern? Das bezweifele ich», antwortete Ivy in bestimmtem Ton, aber ihre Augen lachten dabei.
    Gabriel unterbrach sein Gitarrenspiel und sah zu uns herüber.
    «Ich glaube nicht, dass es irgendjemand mit Bethany in diesem Bereich aufnehmen kann», sagte er lächelnd. Er legte seine Gitarre vorsichtig zur Seite und stellte sich an das Geländer, um aufs Meer hinauszusehen. Wie gewöhnlich stand er dabei so gerade, als hätte er einen Stock verschluckt. Mit seinen stahlgrauen Augen und den wie gemeißelt wirkenden Zügen sah er wie der himmlische Krieger aus, der er war – bloß gekleidet wie ein Mensch, in ausgeblichenen Jeans und weitem Hemd. Die weißblonden Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und sein Blick wirkte offen und freundlich. Ich war froh, dass Gabriel in letzter Zeit entspannter war als früher. Auch hatte ich das Gefühl, dass meine Geschwister mir gegenüber nicht mehr so kritisch waren und meine Entscheidungen leichter akzeptierten.
    «Wieso bist du eigentlich immer vor mir zu Hause?», beschwerte ich mich. «Obwohl ich mit dem Auto komme und du zu Fuß?»
    «Ich habe da so meine Möglichkeiten», antwortete Gabriel geheimnisvoll. «Außerdem fahre ich nicht alle zwei Minuten an den Straßenrand, um jemandem zu zeigen, wie gern ich ihn hab.»
    «Wir fahren nicht an den Straßenrand, um uns zu zeigen, wie gern wir uns haben», widersprach ich.
    Gabriel sah mich fragend an. «Das Auto, das ich zwei Blocks hinter der Schule gesehen habe, war also nicht Xaviers?»
    «Schon möglich.» Ich schüttelte missbilligend den Kopf. Wieso musste er immer recht haben? «Aber alle zwei Minuten ist definitiv übertrieben.»
    Ivys herzförmiges Gesicht errötete zwar, aber sie begann auch zu lachen. «Ach Bethany, entspann dich. Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass alle öffentlich
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