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Gwen (German Edition)

Gwen (German Edition)

Titel: Gwen (German Edition)
Autoren: Noreen Aidan
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Teenagern, die sich Details ihrer Hausaufgaben sowie aktuelle Informationen über verschiedene Kevins und Florians zuwarfen, wirkte sie mit ihren 27 Lebensjahren wie das, was diese Mädchen wohl als Gruftie bezeichnen würden.
    Dabei hatte die Frau am Telefon gesagt, sie könn te für ein Schnuppertraining auch mittwochs in die Anfängergruppe für Erwachsene gehen, das würde ganz bei ihr liegen. Doch Gwen hatte sich spontan für den heutigen Kurs entschieden, denn der Tag war sowieso schon gelaufen. Sie hatte sich an der Uni extra für die Aktion heute Morgen bei den Statler-Werken freigenommen. Zu wissenschaftlicher Arbeit wäre sie nach den Ereignissen dieses Tages sowieso nicht mehr fähig gewesen, und gerade heute war sie höchst motiviert für eine erste Kampfsport-Lektion.
    Einige der Mädchen verbeugten sich mit japanischer Höflichkeit, bevor sie die angrenzende Turnhalle betraten, doch Gwen fand sich für den Vollzug derartiger Rituale noch nicht genügend eingewiesen in die fernöstliche Kampfkunst und folgte ohne Verbeugung. Hoffentlich waren die Mädchen ihr nicht allzu weit voraus in ihren Kenntnissen, denn Gwen wollte sich nur ungern vor einem Haufen kichernder Teenager blamieren. Zur Not konnte sie noch immer in den Mittwochskurs wechseln.
    Sie brauchte die Mädchen gar nicht erst nach Walter Norlander zu fragen, an den sie sich nach den Auss agen der Frau am Telefon wenden sollte. Sein schwarzer Gürtel identifizierte ihn als den Karatemeister, der den Kurs leiten würde. Er war einen halben Kopf größer als Gwen, schlank, hatte dunkelblonde, etwas längere Haare und einen kurz gehaltenen Vollbart.
    „Guten Tag“, sprach Gwen ihn an. „Herr Norla nder?“
    „Ja?“ Er schaute sie fragend an. Lachfältchen umrahmten seine gutmütigen braunen Augen und ließen ihn ganz anders aussehen, als Gwen erwartet hatte. Kein grimmiger Halbasiat, der mit Karatesprung und geschwellten Halsmuskeln in die Halle schoss und mit gutturalen Kampfschreien und bloßer Handkante irgendwelche Bretter zertrümmerte - nein, Walter Norlander entsprach nicht diesem Bild. War er überhaupt ein richtiger Karatemeister?
    „Ihre Frau hat mir vorhin am Telefon gesagt“, teilte Gwen ihm mit, „dass der Anfängerkurs zwar schon vor ein paar Wochen angefangen hat, dass ich aber trotzdem noch einsteigen kann.“
    D er Karatemeister, der nicht aussah wie ein Karatemeister, nickte. „Das ist kein Problem. Geh schon mal zu den anderen, ich komme gleich nach!“
    Plötzlich wanderte sein Blick hinter Gwen , und er hob die rechte Faust, die sich sogleich über Gwens Kopf hinweg mit der eines anderen zu einem krachenden Männergruß verband.
    „Hey, Alter !“ Norlanders Lachfältchen vertieften sich noch. „Du warst vorhin im Fernsehen. Die Nachrichten schon gesehen?“
    Der Angesprochene kam jetzt in Gwens Gesichtsfeld. Er übe rragte Norlander um ein ganzes Stück und rückte gerade seinen schief sitzenden Karateanzug zurecht. Rote Kratzer zogen sich über den Hals des Mannes. Der schwarze Gürtel hing ihm als lässiges Understatement lose über der Schulter.
    „ Oh, mein Gott! “, entfuhr es Gwen.
    A larmiert durch ihren Ausruf wandten die sich beiden Männer ihr irritiert zu. Dann durchzog ein unverschämtes Grinsen Statlers grob-markante Gesichtszüge.
    „Ihr kennt euch ?“ Norlander unterzog Gwen einer genauen Musterung. Ein Ausdruck des Verstehens erhellte sein Gesicht. „Jetzt erkenne ich Sie erst! Mit dem Pferdeschwanz sehen Sie ganz anders aus als im Fernsehen. Wie ein Schulmädchen.“ Er lenkte seinen Blick auf Statler. „Das ist doch die kleine Umweltschützerin, mit der du heute im Fernsehen warst. Die du an diese Säule gekettet hast.“ Er lachte auf. Einige der umstehenden Mädchen reagierten mit verhaltenen Kichern.
    Gwen wünschte sich verzweifelt, die Bretter des abgewetzten Parkettbodens unter ihr würden sich aufbiegen, damit sie darunter versinken konnte.
    „Eigentlich wollte ich ein bisschen Sandsac ktraining machen“, sagte Statler, ohne den Blick von Gwen zu nehmen, „aber ich schätze, heute übernehme ich mal die Anfängergruppe, wenn du nichts dagegen hast, Wally.“
    Gwen atmete tief durch. „Das wird nicht nötig sein . Ich gehe freiwillig!“ Mit einer, wie sie hoffte, souveränen Drehung wandte sie sich um und schritt auf den Ausgang der Turnhalle zu.
    Statler begleitete sie zur Tür. „Das ist aber schade, dass Sie uns schon verlassen!“ Das Grinsen wollte nicht aus seinem Gesicht
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