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Gwen (German Edition)

Gwen (German Edition)

Titel: Gwen (German Edition)
Autoren: Noreen Aidan
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Raum.
    Die Gespräche dort verstummten schlagartig. Unter Statlers Achsel hindurch sah sie einen riesigen Konferenztisch, von wo aus wohlgenährte Männer teils europäischer, teils asiatischer Physiognomie staunend ihre Blicke auf Gwen richteten. Oh, mein Gott!
    „Guten Tag allerseits !“, hörte sie Statler sagen, als er den Saal durchschritt. Abrupt blieb er stehen und kippte Gwen direkt vor einer Säule ab. Diese schien den ganzen Saal zu stützen und war mit demselben hellgrauen Teppich bekleidet, der sich auch über den gesamten Boden erstreckte. Die Säule diente wohl als eine Art Schwarzes Brett, denn sie war übersät mit lose haftenden Zetteln.
    Bevor Gwen reagieren konnte, griff Statler nach ih rem linken Handgelenk und schloss die Handschellen darum, die er Lutz abgenommen hatte. Dann wurde Gwen von seinem massigen Körper gegen die Säule gepresst.
    Jetzt begann ihr zu dämmern, was er vorhatte, und sie wehrte sich verzweifelt. Ihr e abgebrochenen Fingernägel zerfetzten Stoff und hinterließen dunkelrote Streifen auf Statlers Haut.
    Köpfe von Pinwandnadeln drückten sich in Gwens Rücken. Notizzettel und Rundschreiben lö sten sich von der Säule und glitten mit Geflatter zu Boden. Gwens Schultergelenke protestierten, als Statler ihre Arme nach hinten um die Säule bog. Mit wachsender Panik vernahm sie erneut das charakteristische zirpende Klicken der Handschellen, als die sich um ihr noch freies Handgelenk legten. Statlers Augen fixierten sie dabei genauso bezwingend wie die stählernen Fesseln.
    Die Handschellen schnitten in ihre Haut, als Gwen sie mit aller Kraft abzustreifen versuchte. Hilflos hing sie an der Säule fest. Vor ihrem Gesicht sah sie nichts außer die eigenen Haare und Statlers Schulter. Direkt vor sich. Er roch nach herbem Aftershave und Anmaßung.
    Gwen biss zu.
    Mit einem Fluch löste er sich von ihr und ging ein paar Schritte zurück. An seine Stelle trat sofort eine blonde Frau, die Gwen drohend ein Mikrofon vor die Nase hielt und sie mit Fragen bombardierte. Die hektische Art der Journalistin stand in krassem Gegensatz zur unbeteiligten Miene des Kameramannes neben ihr. In unregelmäßigem Rhythmus erhellten Blitzlichter die Szene.
    Plötzlich drängte sich Dirk Statler an den Reportern vorbei und baute sich erneut vor Gwen auf. Geschickt wich er ihren Fußtritten aus. „Jetzt können Sie ablassen, was Sie sagen wollen, Kleine.“
    Schließlich wandte er sich mit lauter Stimme an die Versammelten: „Die Leute von SURVIVAL wollen bei dieser Konferenz angehört werden. Und wie Sie sehen“, er deutete auf Gwen, „habe ich ihre Bitte erfüllt.“ Die Sprachmelodie der englischen Dolmetscherin verlieh Statlers Worten eine unverdiente Bedeutung.
    „Das ist die Chemikerin von SURVIVAL“, fuhr Statler fort. „Sie hat sich freundlicherweise dazu bereit erklärt, für ihre Organisation zu sprechen.“ Er sah in Gwens vor Entsetzen aufgerissene Augen. „Sie sind dran, Lady!“
     
    Da nun auch die Dolmetscherin erwartungsvoll lauschte, wirkte es noch stiller in dem großen Saal. Alle starrten Gwen an. Sogar die abstrakten Gemälde an den Wänden starrten. Einer der asiatisch aussehenden Herren am Konferenztisch zauberte eine Fotoausrüstung aus seinem Aktenkoffer hervor, um sich ein paar Schnappschüsse zu sichern. Wahrscheinlich zum Ablachen für die Kollegen zuhause.
    Gwens Herz pochte schmerzhaft. Sie verspürte das absurde Bedürfnis, an den Nägeln ihrer unerreichbaren Finger zu kauen. Auf die Gelegenheit, sich hier vor den Konferenzbesuchern und den Medien für den Gewässerschutz stark zu machen, hatten sie, Helen und Thomas - und vor allem Mark! - gewartet, gehofft, hingearbeitet. Und jetzt brachte Gwen vor Panik kein Wort heraus! Damit war alles verloren. Mit Sicherheit war das Statlers Absicht gewesen. Gwen sah es seiner grinsenden Visage deutlich an.
    Ihn damit durchkommen lassen? Niemals! Gwen riss sich zusammen. Ruhe bewahren und weiteratmen, befahl ihr Verstand dem zitternden Körper. Ich sagte: Weiteratmen!!!
    Als der fast auf Null heruntergefahrene Geräuschpegel wieder anzusteigen begann, hörte Gwen sich sagen: „Mein Name ist Gwendolin O’Connor. Ich bin Chemikerin und Schriftführerin der deutschen Sektion von Survival.“ Zu schrill, zu schnell, zu abgehackt, zu harter irischer Akzent! Zum Glück schluckte die englische Übersetzung die nervöse Qualität von Gwens Worten. Alle schienen gespannt zu lauschen, selbst Statler.
    „Es ist kein Geheimnis“,
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