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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel
Autoren: Sarah Mlynowski
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hast Recht. Ich werde wieder anfangen, mich mit Männern zu verabreden. Ich werde das „verrückte Date Girl“. Ich werde mit jedem Mann in Back Bay ausgehen.“ Back Bay, wo ich wohne, ist der absolut coolste, absolut überteuertste Bezirk in Boston.
    Die Zeit ist reif.
    Ich werde mit witzigen, scharfen, lächerlich reichen Männern ausgehen, die mich mit teurem Schmuck überhäufen, Rosen in mein Büro senden und mir Verheißungsvolles ins Ohr flüstern, während sie meinen armen, verspannten Rücken massieren.
    Das Leben wird wundervoll sein. Jeden Morgen werde ich mit einem Lächeln auf den Lippen erwachen und aussehen wie die ewig lächelnden Damen in der Kaffeewerbung.
    „Du hast Recht. Genug gejammert.“ Aber ich kann schlecht allein um die Häuser ziehen, oder? „Ich habe keine Freunde hier in Boston, mit denen ich weggehen kann“, jammere ich schon wieder.
    Pause. „Hast du keine Freundinnen?“
    „Nicht wirklich.“ Alles ist schrecklich. Ich hasse mein Leben. Ich werde mir selbst Rosen schicken und Verheißungsvolles ins Ohr flüstern müssen. „Ich könnte höchstens Natalie anrufen.“
    „Kennst du denn sonst niemanden?“
    Wendy mag Natalie nicht. Wir drei haben im Studentenheim der Penn University im selben Stockwerk gewohnt. Natalie nennt Wendy einen intellektuellen Snob. Wendy bezeichnet Natalie als brahmanische Elitefrau. Ehrlich gesagt, stimmt es zum Teil, denn Wendy ist tatsächlich manchmal ein intellektueller Snob, und Natalie benimmt sich oft etwas elitär. Ich wusste nicht mal, was „brahmanisch“ bedeutet, bis Wendy mir erklärte, dass Natalie zu der oberen Kaste der Bostoner Gesellschaft gehört. „Es klingt hochnäsig, wenn du es so sagst“, meinte ich damals zu ihr.
    „Nein, kenne ich nicht.“ Die einzigen neuen Menschen, die ich, von den komischen Typen bei der Arbeit mal abgesehen, in Boston kennen gelernt habe, sind meine 50-jährige Maniküre und der Hauswart. Ich hocke meistens in meinem Zimmer, schaue mir alte Folgen von „Seinfeld“ an und lese Zeitschriften wie „Cosmo“, „Glamour“, „City Girl“ und „Mademoiselle“, um mir so viel Frauenmagazin-Infos wie möglich zu merken.
    Durch diese Infos werde ich nicht nur eines Tages erkennen, was ich in meiner Beziehung mit Jer falsch gemacht habe, sondern auch lernen, eine bessere Person zu werden und ein erfolgreiches, erfülltes und sexuell befriedigendes Leben zu führen. Auf Seite 5 steht: Frag, ob er mit dir weggeht, auf Seite 72: Warte, bis er dich anruft, auf Seite 50: Er will eine unabhängige Frau, auf Seite 65: Er wird dich verlassen, wenn er sich nicht von dir gebraucht fühlt … Macht mich rauchfarbener Lidschatten wirklich begehrenswerter? Begehrenswerter als eine brasilianische Bikini-Wachsung? Was ist eine brasilianische Bikini-Wachsung? Ich finde das alles so verwirrend.
    „Dann geh eben heute Abend mit Natalie aus, und sieh zu, dass du neue Leute kennen lernst. Was ist denn mit Samantha?“ will Wendy wissen.
    Sam ist meine nervende Mitbewohnerin. Sie und ihr Freund fingern ständig aneinander herum. „Ich mag sie nicht. Sie zwingt mich, Schwämme nach Farben zu benutzen – blau für Geschirr, grün für Töpfe, rosa für die Schrankoberfläche.“
    „Das ist doch sinnvoll.“
    Ja, Leute wie Wendy, die die Tür zum Bad mit dem Fuß aufmachen, weil sie Angst haben, die Klinke zu berühren, finden das sinnvoll. Ich nicht. Warum umgebe ich mich bloß mit lauter Menschen, die unter einem Sauberkeitsfimmel leiden?
    Weil neurotische Freunde immer noch besser sind als gar keine Freunde.
    „Warum magst du Natalie eigentlich?“ fragt Wendy.
    Natalie ist vielleicht nicht der hellste Stern in unserem Sonnensystem, aber sie ist nett und witzig. Brahmanische Freunde haben einige Vorteile: Natalie hat die ganze Welt gesehen und würde mich gern mit einigen brahmanischen Männern bekannt machen, wenn ich sie ließe. Als ich sie anrief, um ihr zu sagen, dass ich nach Boston ziehe, hat sie mir in einer knappen Woche die Mitwohngelegenheit bei Samantha vermittelt. „Wenn du hier wärst, würde ich mit dir heute Abend weggehen. Aber weil du nicht in Boston lebst, bleibt nur Natalie.“
    Ehrlich gesagt, ist Wendy wirklich ein intellektueller Snob. Sie ist eins dieser 1+-Mädchen, die sehr schnell ungehalten werden, wenn andere sich dumm anstellen. Wir sind seit dem Tag befreundet, als uns unsere nach Schweizer Käse riechende, ewig graue Rollis tragende Mathe-Lehrerin in der zweiten Klasse ganz hinten im
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