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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)
Autoren: Leigh Bardugo
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Waschfrauen drehten sich nach mir um und tauschten ungläubige Blicke. Ich wusste, was sie sahen: ein mageres Mädchen mit strähnigen, stumpfbraunen Haaren und fahlen Wangen, mit Fingern, gelb vom Verpacken der Jurda- Blumen. Ich war nie eine jener Schönheiten gewesen, die alle Blicke auf sich zogen, und jemand, der mich kannte, hätte mir sofort angesehen, dass ich meine Macht schon seit Wochen nicht mehr aufgerufen hatte. Ich hatte kaum Appetit, schlief schlecht und die Albträume taten ein Übriges. All diese Gesichter brachten den gleichen Gedanken zum Ausdruck: Warum war ein Mann wie Maljen mit einer Frau wie mir zusammen?
    Ich drückte den Rücken durch und versuchte die Blicke zu ignorieren. Maljen nahm mich in den Arm, zog mich dicht zu sich heran. »Wo warst du?«, fragte er. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
    »Ein paar wütende Bären haben mir aufgelauert«, murmelte ich in seine Schulter.
    »Hast du dich etwa wieder verlaufen?«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Erinnerst du dich noch an Jes?«, sagte er und nickte in Richtung seines Freundes.
    »Wie dir geht?«, fragte Jes auf gebrochenem Rawkanisch und streckte mir eine Hand hin. Er schaute so todernst drein, dass ich mich fragte, was los war.
    »Bestens, danke«, antwortete ich auf Semenisch. Er erwiderte mein Lächeln nicht, sondern tätschelte nur sanft meine Hand. Jes war wirklich ein schräger Vogel.
    Wir plauderten noch eine Weile, aber Maljen schien zu spüren, dass ich immer unruhiger wurde. Ich hielt mich nur nicht gern länger im Freien auf, weil ich ständig damit rechnete, dass plötzlich jemand meinen Namen brüllte oder mich am Arm packte. Also verabschiedeten wir uns, aber bevor Jes ging, warf er mir wieder einen mitleidigen Blick zu und flüsterte Maljen etwas ins Ohr.
    »Was hat er zu dir gesagt?«, fragte ich, als er über den Platz davonschlenderte.
    »Hm? Ach, nichts. Du hast Blütenstaub in den Augenbrauen. Schon gemerkt?« Er wischte ihn behutsam weg.
    »Vielleicht finde ich das ja schön.«
    »Verzeihung.«
    Als wir uns vom Brunnen entfernten, beugte sich eine der Wäscherinnen so weit vor, dass ihr Busen fast aus dem Kleid fiel.
    »Wenn du mal Lust auf mehr als Haut und Knochen hast«, rief sie Maljen zu, »dann habe ich hier etwas, das dich in Wallung bringt.«
    Ich erstarrte. Maljen warf einen Blick über die Schulter und musterte die junge Frau von Kopf bis Fuß. »Nein«, sagte er schließlich trocken. »Hast du nicht.«
    Die junge Frau lief vor Wut und Scham knallrot an. Die anderen Wäscherinnen kicherten schadenfroh und bespritzten sie mit Wasser. Ich versuchte, selbstsicher dreinzuschauen, konnte ein dümmliches Grinsen aber nicht unterdrücken.
    »Danke«, murmelte ich, als wir den Platz in Richtung unserer Herberge überquerten.
    »Wofür?«
    Ich verdrehte die Augen. »Dafür, dass du meine Ehre verteidigt hast, Dummbatz.«
    Er riss mich in den Schatten unter einem Vordach. Panik flammte in mir auf, weil ich glaubte, dass Gefahr drohte, doch im nächsten Moment zog er mich an sich und küsste mich fest auf den Mund.
    Als er losließ, hatte ich hochrote Wangen und wackelige Beine.
    »Um ganz offen zu sein«, sagte er, »habe ich kein großes Interesse daran, deine Ehre zu verteidigen.«
    »Schon kapiert«, stieß ich hervor und hoffte, nicht zu atemlos zu klingen.
    »Außerdem«, sagte er, »muss ich jede Minute auskosten, bevor wir wieder in unserem Loch sind.«
    Das Loch war Maljens Name für unsere Herberge. Sie war überfüllt und schmutzig und bot keinerlei Privatsphäre, aber die Zimmer waren billig. Er grinste so schalkhaft wie immer, dann zog er mich wieder mitten zwischen die vielen Menschen, die auf der Straße unterwegs waren. Meine Schritte fühlten sich trotz meiner Erschöpfung viel beschwingter an. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass wir zusammen waren, und mir war etwas schwummerig. In der Grenzmark würde es weder neugierige Herbergsgäste noch unerwünschte Störungen geben. Mein Herz tat einen kleinen Satz – schwer zu sagen, ob es an meiner allgemeinen Nervosität oder an der Aufregung lag.
    »Und? Was hat Jes zu dir gesagt?«, fragte ich noch einmal, sobald ich wieder einen klareren Kopf hatte.
    »Er hat gesagt, ich soll gut auf dich aufpassen.«
    »Mehr nicht?«
    Mal räusperte sich. »Und … er hat gesagt, er wolle zum Gott der Arbeit beten, damit er dein Leiden lindert.«
    »Mein was ?«
    »Kann sein, dass ich ihm erzählt habe, du hättest einen Kropf.«
    Mir klappte die
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