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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers
Autoren: Gesa Schwartz
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Klamotten, schwarze Fingernägel — da ist Hähneköpfen doch fast dasselbe, nicht wahr?«
    Der Polizist musterte sie kurz. Sein Unverständnis stand ihm ins Gesicht geschrieben, dabei sah sie an diesem Abend noch nicht einmal sonderlich aufsehenerregend aus. Sie trug hohe Schnürstiefel, ein langärmliges schwarzes Kleid und ihren Clochardwesternmantel — er war wie ein Waffenrock geschnitten und hatte zwei tiefe Taschen, in denen man allerhand Kram verstauen konnte, daher hatte Mia ihm diesen Namen gegeben. Sie war nicht übermäßig geschminkt und trug nur drei silberne Ringe. Alles in allem also kein Grund, gleich die Augenbrauen bis zum Haaransatz hochzuziehen. Der Polizist war da natürlich anderer Meinung.
    »Und was haben wir hier?« Er griff nach Mias Tasche, die neben ihm auf dem Tisch lag, und drehte sie um. Sofort prasselten mehrere Bleistifte, Kreidestücke und Federn heraus und verunreinigten seine blitzblank geputzte Schreibtischunterlage. Mia verzog das Gesicht, als er nach ihrem Zeichenblock griff. Mit spöttischer Miene begann er, darin zu blättern, sah kurz auf und ließ seinen Blick erneut über Mias Klamotten wandern.
    »Ein Grufti, der Comics malt — das habe ich auch noch nie gesehen«, sagte er.
    Mia stieß die Luft aus. »Scheiß Schubladendenker«, murmelte sie und hoffte, dass es laut genug gewesen war, um bei ihrem Gegenüber anzukommen. Aber der seufzte nur und begann etwas in seinen Computer zu tippen.
    Mia verdrehte die Augen. Einfingersuchmethode, na großartig. Sie würde im Morgengrauen noch hier sitzen. Unruhig rutschte sie auf dem Stuhl hin und her. Immerhin war sie nicht allein. Nebenan bollerte irgendjemand gegen die Wand und brüllte Beleidigungen.
    »Beginnen wir mit dem Protokoll«, seufzte der Polizist mit einer Inbrunst, als würde er damit in die Hölle hinabsteigen, um die Welt zu retten. »Wie ist dein Name?«
    Mia verzog das Gesicht. Auch das noch. »Mia Lavie«, sagte sie leise.
    Der Polizist nickte, und sie dachte schon, dieses Mal drum herum zu kommen. Doch dann hielt er inne und fasste nach dem Stempelkissen. Klick. Klack. »Bist du verwandt mit diesem Maler? Er hieß ...«
    »... Lucas Lavie, ja, und er war mein Vater.«
    Der Polizist sah sie an, Mia konnte die Schublade auf- und wieder zurollen hören.
    »Ja, ein großer Künstler«, sagte der Beamte, während er sich wieder dem Bildschirm zuwandte. »Und du bist also seine Tochter. Ich verstehe nicht viel von Kunst, Malerei und so, aber um seine Bilder kam man ja gar nicht mehr herum. Einige fand ich sogar ganz ansprechend, dieses blaue da mit den Gesichtern ...«
    Mia lehnte den Kopf gegen die Wand. Manche Dinge änderten sich nie.
    »Schade, dass er irgendwann durchgedreht ist«, fuhr der Polizist fort, aber seine Stimme drang nur noch vage an ihr Ohr. Sie hatte wenig geschlafen in der Nacht zuvor. Sie war hundemüde. »Er hat Dinge gesehen, nicht wahr? So stand es in der Zeitung. Ist verrückt geworden. Hat er sich nicht ... mit einem Schrotgewehr ...« Er tippte sich an die Schläfe und drückte ab, als hielte er eine Waffe in der Hand.
    »Es war eine Walther P38, Kaliber neun Millimeter.« Mia hörte sich selbst wie aus weiter Ferne, der Polizist erwiderte irgendetwas, aber sie antwortete nicht. Müde fuhr sie sich über die Augen, nannte ihm ihre Anschrift und bemerkte erst auf den zweiten Blick die Eisblumen, die sich in rasender Geschwindigkeit auf dem Glas des Fensters bildeten.
    Mia zog die Brauen zusammen. Sie konnte das Knistern des Eises hören, als die filigranen Muster entstanden, doch damit war sie offensichtlich allein. Der Polizist war vollends damit beschäftigt, ihre Adresse richtig in den Computer zu tippen.
    »Wohnst du dort allein?«, fragte er gerade.
    Leise stieß sie die Luft aus. »Ich bin siebzehn und gehe noch zur Schule, wie sollte ich mir eine eigene Wohnung leisten können? Nein, ich lebe mit meiner Mutter und meiner Tante zusammen. Vor zwei Jahren hat auch Jakob, mein Bruder, noch bei uns gewohnt, aber seit er studiert, hat er seine eigene Wohnung. Wollen Sie auch wissen, ob Haustiere bei uns leben? Meine Tante hat einen Kanarienvogel und ...«
    Ein Seitenblick des Polizisten ließ sie verstummen. Sie setzte sich auf und beobachtete, wie die Eisblumen außen am Rand des Fensters emporkrochen und sich an der Innenseite wieder hinabbewegten. Sie räusperte sich und deutete zum Fenster. Der Polizist sah sie an.
    »Was soll das?«, murmelte er. »Es regnet, na
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