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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers
Autoren: Gesa Schwartz
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Klauen auf Grim ein, der sich davon nicht im Mindesten beeindrucken ließ.
    »Nenn mir deinen Rang«, verlangte er und drückte den Diamanten auf die Stirn des Dämons. Zischend verbrannte die Haut und wurde schwarz, der Dämon jaulte markerschütternd. Grim löste den Diamanten und ließ ihn Atem holen.
    »Zweiter Grad, siebter Kreis, Phy«, keuchte der Dämon. Grim stieß die Luft aus. Hatte er es doch gewusst. Stümper von Stielaugen!
    Der Dämon sah ihn an. Für einen Moment war nichts als Traurigkeit in seinem Blick. »Ihr Gargoyles«, flüsterte er, und zum ersten Mal hatte seine Stimme jeden Anflug von Hass verloren. »Einst eherne Engel, Helden auf Flügeln aus Stein. Was ist aus euch geworden? Nun seid ihr genauso arm dran wie wir.«
    Ehe Grim etwas hätte erwidern können, flog der Kopf des Dämons zurück, die spitzen Spinnenbeine stachen durch die Haut. Blut rann ihm übers Gesicht. Etwas brach durch den Kieferknochen, Grim sah schwarze Leiber, die sich rasselnd über das aufgebrochene Fleisch hermachten. Ein entsetzliches Knacken ging durch den Körper, dann hing das Wesen schlaff in Grims Klauen. Mit einem Rauschen entzündeten sich grüne Flammen, Fluchfeuer außer Kontrolle. Schnell ließ Grim den Dämon fallen und sah zu, wie die dürre Gestalt vom Feuer verzehrt wurde. Am Ende meinte er, sie hätte geseufzt — aber es hätte auch ein Lachen sein können, ein irres, verfluchtes Lachen aus der Dunkelheit.
    Grim fuhr sich über die Augen. Zur Hölle noch eins, so hatte er sich diese Nacht nicht vorgestellt. Er schaute auf das verkohlte Wesen zu seinen Füßen. Es hatte sich lieber umgebracht, als in das glitzernde Gefängnis gesperrt zu werden. Lautlos ließ er den Diamanten zurück in seine Tasche gleiten.
Eherne Engel . . . Helden auf Flügeln aus Stein ... Was ist aus euch geworden?
    Ein Klappern riss Grim aus seinen Gedanken. Noch ehe er sich umdrehte, wusste er, woher es kam. Menschen! Grim seufzte leise, und tatsächlich: Hinter ihm, platt gegen die Wand gedrückt, kauerte der gerade noch bewusstlose Mann und starrte ihn aus tellergroßen Augen an. Grim ging in langen Schritten auf ihn zu und hob ihn, so sanft er es vermochte, am Kragen hoch.
    »Du hast etwas gesehen«, sagte er leise. »Etwas, das nicht für deine Augen bestimmt war.«
    Der Mensch hatte alles vergessen, was er in den ungefähr vierzig Jahren seines bisherigen Lebens gelernt hatte, inklusive des Sprechens, ohne zu sabbern. Er speichelte auf Grims Hand. Es war widerwärtig. Grim beschloss, es kurz zu machen.
    »Vade, memoria!«, grollte er und unterdrückte ein Stöhnen. Dieses verfluchte Latein!
    Doch es wirkte. Umgehend schwand der Schrecken vom Gesicht des Menschen, und Grim schaute in zwei glasige Augen, die nur darauf warteten, ihn hereinzulassen. Entschlossen fixierte er die matte Pupille und stürzte sich vor. Um ihn her wirbelten die Gedanken wie Bilder, die jemand in Seifenblasen gefangen hatte. Er löschte alle Erlebnisse, die der Mann mit dem Dämon gehabt hatte, und er fand noch etwas anderes: Er sah den Menschen, der noch immer reglos in seinen Klauen hing, wie er einen kleinen Wasserspeier dabei beobachtete, die Fassade Notre Dames hinabzuklettern. Grim stieß die Luft aus. Dilettanten! Nur die Snobs von Notre Dame konnten auf eine solche Idee kommen. Es war kein Steinblut mehr in ihren Adern, kein Erz aus den tiefsten Schluchten dieser Welt. Ihre Vorbilder, ja, die hätten sich nicht in helllichter Nacht an der Fassade des gargoyleträchtigsten Ortes von ganz Paris herabgelassen. Aber die Wasserspeier Notre Dames waren nur Kopien, billige Repliken des einstigen Glanzes der Gargoyles von Paris, was sollte man anderes von ihnen erwarten? Seufzend hauchte Grim seinen eisigen Atem gegen die Erinnerung und brachte sie mit leisem Klingen zum Platzen. Umgehend zog er sich aus den Gedanken des Menschen zurück und bettete ihn so sanft, wie es ihm möglich war, auf der nassen Erde.
    Für einen Moment blieb Grim neben ihm stehen und schaute auf ihn hinab.
Helden auf Flügeln aus Stein.
Sind wir das etwa nicht mehr? Ohne uns, so dachte er, wärt ihr ganz schön aufgeschmissen. Um ein Haar hätte dieser Dämon dich ausgepresst wie eine Zitrone. Ich habe mein Leben für dich riskiert. Aber du ... du wirst dich nicht einmal daran erinnern. Vielleicht wirst du dich fragen, wie du mitten im Regen in dieser schäbigen Gasse hast einschlafen können. Du wirst dich über die Abschürfungen an deinen Händen, über die Schmerzen an
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