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Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
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drückte die Finger des Polizisten in seinen Hals, damit er das Blut unter der Haut pumpen spürte. »Gretchen weiß, wo man schneiden muss. Ich hatte nicht Glück. Wenn sie gewollt hätte, dass ich sterbe, wäre ich tot.« Er ließ die Hand des Mannes los, und der zog sie langsam zurück. »Wie sie ist?«, wiederholte Archie leise. Er legte dem Beamten die Hand auf die Schulter und beugte sich vor, sodass sein Gesicht nur Zentimeter vom Gesicht des Mannes entfernt war. Gretchen war ein wunderschönes, sinnliches, charismatisches Miststück, das Objekt von Archies sexueller Besessenheit, seine Folterin und der Mensch, der ihn auf der ganzen Welt am besten kannte. »Sie ist eine Serienmörderin«, sagte er. Er lächelte und klopfte dem jungen Mann gönnerhaft auf die Schulter. »Falls Sie sie jemals zu Gesicht bekommen, erschießen Sie sie.«
    Archie drehte sich zu Henry um. »Ich bin bereit, in die Klapsmühle zurückzufahren«, sagte er.

_ 5 _
    Susan Ward eilte den Krankenhausflur entlang. Es war neun Uhr vormittags, und sie war bereits schlechter Stimmung. Draußen in der Gorge ging etwas vor sich, und Ian hatte Derek Rogers hingeschickt, um darüber zu berichten, nicht sie. Sie hatte Derek schon elfmal angerufen. Das war nun das zwölfte Mal.
    »Was soll das heißen, ›Leichenteile‹?«, fragte sie. Sie hatte Mühe, das Handy ans Ohr zu halten, ihren Kaffeebecher so zu balancieren, dass nichts herausschwappte, und gleichzeitig in ihrer Handtasche nach einem Pfefferminzbonbon zu wühlen, um den Geruch der Zigarette zu tarnen, die sie in der Tiefgarage des Krankenhauses geraucht hatte.
    »Das sagen sie nicht«, sagte Derek. Er war den größten Teil der Nacht da draußen gewesen, und es klang, als würde sich der Reiz des Neuen bereits abnutzen. »Aber sie haben die halbe Task Force Beauty Killer hier, und FBI und Freiwillige durchsuchen den Wald.«
    Es wäre eine sensationelle Nachricht gewesen, wenn nicht bereits so viel Theater um Gretchen Lowell gemacht worden wäre. Der Herald hatte jeden Tag seit ihrer Flucht einen Artikel über sie auf der Titelseite gebracht. Sie war in Italien, Florida, Thailand und Churchill, Manitoba, gesehen worden. All die Spinner, die sonst immer behaupteten, von Außerirdischen entführt worden zu sein, wollten nun Gretchen Lowell gesehen haben. Verbrechen überall auf der Welt wurden ihr zugeschrieben. Wenn man den Nachrichtenkanälen glaubte, hatte sie eine Familie in Thailand ermordet und es dann bis Sonnenuntergang nach England geschafft, um einen Fischhändler zu töten.
    »Halt mich auf dem Laufenden«, sagte Susan. »Ich bin im Krankenhaus.«
    »Wann wirst du endlich aufgeben?«, fragte Derek.
    Susan klemmte das Telefon zwischen Ohr und Schulter und fand die Dose mit den Pfefferminzbonbons unter zerknüllten Quittungen, Kugelschreibern, Kaugummipapieren und gebrauchten Taschentüchern in ihrer Handtasche. »Vielleicht will er mich diese Woche sehen«, sagte sie.
    »Wenn Ian erfährt, dass du an einem Buch arbeitest, schneidet er sich den Pferdeschwanz ab«, sagte Derek.
    Susan drückte den Knopf für den Aufzug zur psychiatrischen Abteilung. Ian hatte Derek die Leitung der Kriminalredaktion gegeben, nachdem Susans Mentor Quentin Parker getötet worden war. Susan hatte sich eingeredet, dass es ihr nichts ausmachte. Sie hatte einige Projekte im Ärmel, über die sie vielleicht für immer aus dem Zeitungsgeschäft aussteigen konnte. Je früher, desto besser, so wie die Dinge liefen. Sie musste nur Archie dazu bringen, dass er mit ihr redete.
    »Hallo?«, sagte Derek.
    »Wusstest du«, sagte Susan, »dass seit 1958 mehr als vierhundert Menschen an einer allergischen Reaktion auf Sperma gestorben sind?«
    Es gab eine Pause. »Ah, nein«, sagte Derek.
    Der Aufzug klingelte, und die silbernen Türen öffneten sich. »Ich muss Schluss machen«, sagte Susan. Sie steckte sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und ließ die Dose wieder in die Handtasche fallen. »Ich bin da.«

_ 6 _
    Sie ließen Susan nicht ein. Sie ließen sie nie ein. Ihr Name stand nicht auf der Liste der von Archie genehmigten Besucher. Aber Susan läutete und schickte die Schwester zu Archie, damit sie fragte, ob er sie sehen wolle, und als die Schwester wie immer zurückkam und sagte, nein, aber er lasse grüßen, nahm Susan auf einem Stuhl im Wartezimmer Platz. Sie hoffte, wenn sie oft genug kam und lange genug wartete, würde Archie irgendwann nachgeben.
    Und wenn nicht, nun, es war ein hübscher, ruhiger Ort,
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