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Grave Mercy Die Novizin des Todes

Grave Mercy Die Novizin des Todes

Titel: Grave Mercy Die Novizin des Todes
Autoren: LaFevers Robin L
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halte den Kelch zaghaft zwischen den Fingern, voller Angst, dass er zersplittern könnte.
    »Hier im Kloster ist es unsere Aufgabe, jene auszubilden, die der Gott des Todes gezeugt hat. Wir lehren sie, ihre Pflichten schnell und wirkungsvoll zu erfüllen. Im Allgemeinen stellen wir fest, dass Er Seinen Töchtern irgendeine besondere Fähigkeit oder Kunst geschenkt hat. Fähigkeiten, die dir helfen werden, Seine Werke zu tun.«
    Seine Werke. Die Worte stecken voller Möglichkeiten. Ich nippe an dem Wein, um mich zu fassen. Der Wein schmeckt süß und frisch.
    »Darf ich wohl ein wenig raten, was dich betrifft?«, fragt die ehrwürdige Mutter. Ich nicke, und sie fährt fort. »Du erkrankst niemals an Fieber oder Schüttelfrost oder Durchfall. Selbst die Pest lässt dich unberührt, ist das richtig?«
    Angesichts ihres unheimlichen Wissens weiten sich meine Augen. »Woher wisst Ihr solche Dinge?«
    Sie lächelt. »Und ich weiß, dass du grausame Prügel überleben und binnen Tagen genesen kannst. Hast du auch Träume, die den Tod voraussagen?«
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf, und es tut mir leid, dass ich sie enttäusche. »Aber manchmal kann ich erkennen, wann Menschen sterben werden.«
    Sie legt den Kopf schräg. »Sprich weiter.«
    Ich senke den Blick und betrachte den Wein im Kelch. »Manchmal kann ich sehen, wie sie verblassen. Es ist so, als beobachte man eine Flamme, die in einer Laterne langsam erlischt. Und einmal habe ich ein Mal gesehen. Bei dem Schmied. Er bekam einen schwachen schwarzen Fleck auf der Stirn, und dieser Fleck hatte die Form eines Pferdehufs. Drei Tage später war er tot.«
    Sie beugt sich auf ihrem Stuhl nach vorn, voller Eifer jetzt. »Wie ist er gestorben?«
    »Eins der Pferde hat ihm bei der Arbeit vor den Kopf getreten.«
    »Ah.« Ein erfreutes Lächeln umspielt ihre Mundwinkel. »Mortain hat dir mächtige Gaben geschenkt.« Sie greift nach der Schreibfeder und macht sich eine Notiz auf einem Pergament vor ihr. Kleine Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn, und ich nehme noch einen Schluck von dem Wein, um mich zu beruhigen. Es ist schwer, alte Geheimnisse zu lüften.
    »Also«, sagt sie und schaut wieder zu mir herüber. »Du bist gut ausgerüstet für unseren Dienst.«
    »Und der wäre?«
    »Wir töten Menschen.« Die Worte der ehrwürdigen Mutter fallen wie Steine in die Stille des Raumes, so schockierend, dass mein Körper taub wird. Ich höre das Splittern von Kristall, als mein Kelch auf dem Boden aufschlägt.
    Die Äbtissin ignoriert den zerbrochenen Kelch. »Natürlich sterben viele ohne unsere Hilfe. Es gibt jedoch jene, die zu sterben verdienen, aber noch nicht auf das richtige Mittel dafür gestoßen sind. Auf Mortains Geheiß helfen wir ihnen auf ihrem Weg.«
    »Er braucht doch aber nicht unsere Hilfe?«
    Ärger lodert in der Äbtissin auf, und zum ersten Mal spüre ich den eisernen Willen, von dem ich zuvor nur eine vage Ahnung hatte. »Wer bist du zu sagen, was der Gott des Todes braucht und was Er nicht braucht? Mortain ist ein alter Gott und verspürt nicht den Wunsch, vergessen zu werden und aus dieser Welt zu verschwinden, was der Grund ist, warum Er sich dafür entscheidet, sich mit den Angelegenheiten der Menschen zu beschäftigen.« Sie sieht mich noch einen Moment lang streng an, dann fällt die Anspannung von ihr ab wie eine Welle, die aufs Meer hinausgeht. »Was weißt du über die alten Götter?«, fragt sie nun.
    »Nur dass sie einst die neun alten Götter der Bretagne waren, aber jetzt nennen wir sie Heilige. Und wir müssen ihnen gelegentlich eine Opfergabe oder ein Gebet darbringen, wenn wir sie nicht beleidigen oder ihren Zorn erregen wollen.«
    »Du bist nah dran«, erwidert die Äbtissin und lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück, »aber das ist nicht alles. Die alten Götter sind weder Mensch noch Gott, sondern etwas dazwischen. Sie waren die ersten Bewohner unseres Landes, ausgesandt, Gottes Willen in dieser neuen Welt, die Er geschaffen hatte, auszuführen.
    Zuerst war die Beziehung zwischen Göttern und Menschen schwierig; die Götter haben uns behandelt, wie wir Rinder oder Schafe behandeln. Aber schon bald lernten wir, sie mit Gebeten und Opfergaben zu ehren, was zu Harmonie zwischen uns führte. Selbst die Kirche gab sich anfangs damit zufrieden, uns die alten Götter ehren zu lassen, obwohl wir damals lernten, sie Heilige zu nennen. Aber in letzter Zeit hat sich das geändert. Geradeso wie Frankreich die meisten der kleineren Königreiche und
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