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Grave Mercy Die Novizin des Todes

Grave Mercy Die Novizin des Todes

Titel: Grave Mercy Die Novizin des Todes
Autoren: LaFevers Robin L
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aber stabil, und frühmorgendliches Licht fällt durch das nach Osten gehende Fenster. Mein Blick wird sofort von der Frau angezogen, die an dem großen Schreibtisch in der Mitte des Raumes sitzt. Sie trägt ein schwarzes Gewand und einen Nonnenschleier, und ihr blasses Gesicht ist atemberaubend schön.
    Ohne aufzuschauen, bedeutet sie mir, auf einem der Stühle Platz zu nehmen. Meine Schritte hallen leise in diesem großen Raum, als ich mich ihrem Schreibtisch nähere. Ich ziehe die Decke zurecht, dann setze ich mich.
    Die Äbtissin hebt den Blick von ihrer Arbeit, und ich starre in ein Paar Augen, die so kühl und so blau sind wie das Meer. »Ismae Rienne.«
    Ich zucke zusammen, erschrocken darüber, dass sie meinen Namen kennt.
    »Weißt du, warum du hier bist, Kind?«
    Ich weiß nicht, welche Antwort sie hören will, ich weiß nur, dass mich der plötzliche Drang überkommt, mir ihre Anerkennung zu verdienen. »Weil ich das Missfallen meines frisch angetrauten Ehemannes erregt habe?«
    »Sein Missfallen erregt?« Die Äbtissin stößt ein leises Schnauben aus, und sie wird mir immer sympathischer. »Nach dem, was ich gehört habe, hat er sich praktisch aus Angst vor dir in die Hosen gemacht.«
    Ich spüre die vertraute Scham, die in meine Wangen steigt, und senke den Blick auf den Schoß.
    »Die Schuld liegt nicht bei dir, Tochter.« Sie sagt das so sanft, dass ich am liebsten losheulen würde. Ich habe noch nie eine Träne vergossen, nicht während all der Prügel meines Vaters oder Guillos Misshandlung, doch ein paar freundliche Worte von dieser Frau genügen, und ich kann nur mit Mühe verhindern, dass ich weine wie ein Baby.
    »Also, erzähl einmal«, sagt sie und zieht Schreibfeder und Tintenfass heran. »Kennst du die Umstände deiner Geburt?«
    Ich wage einen Blick auf ihr Gesicht, aber sie konzentriert sich auf das, was sie auf das Pergament schreibt. »Nur dass meine Mutter mich nicht gebären wollte. Sie ist zu einer Kräuterhexe gegangen, um Gift zu bekommen, und sie hat gehofft, mich aus ihrem Schoß vertreiben zu können.«
    »Und doch hast du überlebt.« Sie schaut auf. Die Worte sind leise, bergen jedoch in der Stille dieses Raumes die Macht einer Verkündigung.
    Ich halte dem ruhigen Blick der Äbtissin stand. »Und doch habe ich überlebt.«
    »Hast du irgendeine Ahnung, was das bedeutet?«
    »Ihr meint, davon abgesehen, dass ich mein Leben in Zurückgezogenheit verbringen musste, Schlägen ausweichen und unscheinbar bleiben, um anderen keine ungebührliche Angst einzujagen?«
    »Ja, abgesehen davon.« Ihre Stimme ist trocken. Sie beugt sich vor, und ihre Augen leuchten entschlossen. »Haben sie nicht behauptet, Ismae, dass du vom Tod selbst gezeugt wurdest?«
    Ich nicke vorsichtig.
    »Nun, so ist es. Nach vielen Prüfungen bist du jetzt hier.«
    »Prüfungen?«, frage ich. »Ist es das, was mein Leben gewesen ist? Eine Abfolge von Prüfungen, die ich bestehen musste?«
    »Du kommst heißblütig zu uns, mein Kind, und es liegt mir fern, das zu bedauern. Es ist die heiß geschmiedete Klinge, die am stärksten ist.«
    »Und wer genau ist uns?« Mein ganzer Körper wird reglos, als ich auf ihre Antwort warte.
    »Du hast Zuflucht im Kloster St. Mortain gefunden. Und wahrlich, Mortain ist älter als jeder andere Heilige, selbst älter als Christus.«
    »Einer der alten Götter, die wir jetzt Heilige nennen«, murmele ich.
    »Ja, einer der alten Götter. Einer, den die Kirche nicht so leicht beiseiteschieben kann. Und so nennen wirIhn heilig, aber solange wir Ihm dienen, schert es Ihn nicht, wie Er genannt wird.«
    »Wie dient man dem Tod?« Sollte ich mein Leben damit verbringen, Tote in Leichenkarren einzusammeln?
    Der Blick der ehrwürdigen Mutter ist geradeheraus. »Wir führen Mortains Willen aus, wenn Er wünscht, dass Gewebe des Lebens zu verändern, aus Gründen, die nur Ihm bekannt sind.«
    Ich sehe sie hilflos an und verstehe nicht, was weben mit Mortain zu tun hat. Sie seufzt und erhebt sich von ihrem Stuhl. »Vielleicht wäre eine Erfrischung angebracht.«
    Ich will sie anflehen, mir mehr darüber zu erzählen, was es bedeuten könnte, die Tochter des Todes zu sein, aber ich habe den Verdacht, dass diese Frau keine Geduld mit Narren hat, daher halte ich den Mund.
    Sie nimmt eine Flasche Wein und zwei Kristallkelche aus dem Schrank hinter ihrem Schreibtisch. Dann schenkt sie ein und hält mir einen Kelch hin. Das geschliffene Kristall ist feiner als alles, was ich je gesehen habe, und ich
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