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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kindes gehört,
und als sie sich auf die Suche gemacht hatten, da hatten sie
ein zerbrochenes Boot sehr sonderbarer Bauart gefunden
und in dessen Trümmern einen vielleicht drei- oder vierjährigen Knaben, der verwundet und halb verhungert und
der Sprache nicht mächtig war, sondern nur unverständliches Zeug brabbelte. Die Suche nach den Eltern des Jungen verlief ebenso ergebnislos wie die nach den Insassen
des Bootes oder auch nur einer Spur seiner Herkunft, sodass Artus den Jungen schließlich mit zurück nach Camelot nahm. Dagda, der sich des elternlosen Knaben für eine
Weile angenommen hatte, hatte ihn auf den Namen Dulac
getauft und behauptet, es hätte irgendetwas mit dem Ort zu
tun, an dem er gefunden worden war, sich aber niemals die
Mühe gemacht, diese Behauptung zu erklären, und sein
Alter willkürlich auf vier Jahre festgesetzt. Was dazu führte, dass Dulac auf eine entsprechende Frage antwortete, er
sei vierzehn – aber es konnten ebenso gut auch schon
fünfzehn oder erst dreizehn sein. Was machte das schon?
Auch viele von Artus’ Rittern wussten nicht genau, wie alt
sie waren, und nur die wenigsten waren in der Lage, ihren
Namen zu schreiben – ganz im Gegensatz zu Dulac, dem
Dagda schon vor Jahren Lesen und Schreiben beigebracht
hatte.
    Die ersten vier Jahre hatte Dulac bei Tanders Familie
gelebt und gearbeitet, bei der Artus ihn untergebracht hatte, und in den ersten drei dieser vier Jahre war es ein wirklich gutes Leben gewesen. Wie alle Mitglieder der großen
Familie hatte auch er mit zupacken und einen seinem Alter
entsprechenden Teil der Arbeit übernehmen müssen, von
der es in einem Gasthaus immer genug gab. Dann aber
war Tanders Frau gestorben und seither war der Schankwirt immer mürrischer und geiziger geworden. Dulac hatte
sein winziges Zimmer unter dem Dach räumen und in die
Scheune ziehen müssen, in der es im Winter zu kalt und
im Sommer zu heiß war, und den schmalen Lohn, den ihm
Dagda für seine Arbeit als Küchenjunge zahlte, musste er
zur Gänze abliefern. Wenn er von der Arbeit nach Hause
kam und noch Gäste in der Schänke waren, dann hatte er
aufzubleiben und hinter der Theke zu helfen und selbst
sonntags, wenn alle zur Kirche gingen, musste er oft als
Einziger dableiben und die Gaststube scheuern. Trotzdem
jammerte Tander unentwegt darüber, dass er ihn durchfüttern musste und dass es eines Tages sein Ruin sein würde,
dieses nichtsnutzige Findelkind unter seinem Dach aufgenommen zu haben. Dulac war sicher, dass er ihn längst
hinausgeworfen oder in aller Heimlichkeit als Sklave verkauft hätte, müsste er nicht befürchten, sich damit Artus’
Zorn zuzuziehen.
    Trotzdem wollte sich Dulac nicht beklagen. Es war ein
hartes Leben, aber es war noch immer besser als das
Schicksal vieler anderer, die er kannte, selbst hier in der
Stadt, und es würde nicht von Dauer sein. Eines Tages –
und irgendetwas sagte ihm, dass dieser Tag gar nicht mehr
so fern war, würde er dieses erbärmliche Leben wie ein
altes Kleid einfach abstreifen und seine wahre Bestimmung erkennen.
    Vielleicht würde er sogar erfahren, wer seine Eltern gewesen waren – obwohl er nicht einmal sicher war, ob er
sie wirklich kennen lernen wollte. Sowenig wie an das
Leben vor dem Tag, an dem Artus und die Ritter ihn gefunden hatten, hatte er irgendeine Erinnerung an seine
Eltern. Er mutmaßte allerdings, dass sie keine besonders
guten Eltern gewesen waren, ihr Kind einfach so der Gnade des Schicksals auszusetzen oder der irgendeines Fremden, der zufällig des Weges kam. Und sie mussten auch
ziemlich grausam gewesen sein, denn das Einzige, was sie
ihm außer dem zerschlissenen Kleid, in dem er gefunden
worden war, mit auf den Weg gegeben hatten, waren zwei
schmale, aber tiefe Narben an seinen Ohren, als hätte man
ein Stück davon abgeschnitten oder mit einem glühenden
Eisen weggebrannt. Welche Mutter und welcher Vater
würde seinem Kind so etwas antun?
    Dulac war so tief in Gedanken versunken, dass ihm zu
spät aufging, dass er drauf und dran war, einen schweren
Fehler zu begehen. Dieser Fehler bestand darin, dass er
auf dem kürzesten Weg nach Hause ging, statt sich in eine
andere Richtung zu wenden und den freien Nachmittag im
nahen Wald oder bei einem seiner wenigen Freunde zu
verbringen, und es war zu spät, um ihn rückgängig zu machen, denn in genau diesem Moment öffnete sich die Tür
des Gasthauses und Tander trat heraus.
    Dulac blieb mitten im
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