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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter
Autoren: dtv
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von der ganzen Schlammschürferei einen trockenen Hals bekommen. Komm mit in den ›Krebs‹. Wir trinken ein Bier.«
    »Ich werde verfolgt«, erinnerte Reynevan ihn. »Hast du denn keine Angst, dass   ...«
    |17| »Wovor sollte ich Angst haben?« Der Magier hob seinen Eimer wieder auf.
    Reynevan seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass ihn die Prager Magier überraschten. Er wusste nicht, ob dies an ihrer außerordentlichen
     Kaltblütigkeit oder einfach an ihrem mangelnden Vorstellungsvermögen lag, aber einige ortsansässige Magier schien es überhaupt
     nicht zu kümmern, dass für diejenigen, die sich mit schwarzer Magie befassten, die Hussiten gefährlicher waren als die Inquisition.
Maleficium
, Zauberei, fiel unter die Todsünden, auf die gemäß dem Vierten Prager Artikel die Todesstrafe stand. Und was die Prager Artikel
     anbelangte, so waren die Hussiten da keineswegs zu Scherzen aufgelegt. Die Calixtiner von Prag, die sich für die Gemäßigten
     hielten, standen darin den taboritischen Radikalen und den Fanatikern der Waisen in nichts nach. Ein Magier, den man gefasst
     hatte, wurde in ein Fass gesteckt und in diesem Fass auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
    Sie kehrten zum Markt zurück, schritten durch die Scherenschleifergasse, dann durch die Goldschmiedgasse und die St.-Ägidius-Gasse.
     Sie gingen langsam. An einigen Ständen blieb Tvrdik stehen und tauschte mit den Krämern, die er kannte, ein paar Neuigkeiten
     aus. Den Gepflogenheiten entsprechend, wurde nach »heutzutage, in solchen Zeiten   ...« der Satz abgebrochen und das Abbrechen mehrfach von einer schlauen Miene, Seufzen und Kopfnicken begleitet. Reynevan
     blickte sich um, aber er konnte seine Verfolger nicht entdecken. Sie verbargen sich zu gut. Er wusste nicht, was sie dachten,
     aber ihn selbst begann die monotone Routine schon sehr zu langweilen.
    Zum Glück gelangten sie kurz darauf, nachdem sie von der St.-Ägidius-Gasse in einen Hof und ein Torgewölbe abgebogen waren,
     direkt vor das Haus »Zum roten Krebs«. Und zur Schenke, die der Schankwirt, dem jeglicher Erfindungsreichtum fehlte, genauso
     genannt hatte.
    »He! Guckt doch mal! Das ist doch Reynevan!«
    |18| Am Tisch, auf einer niedrigen Bank hinter den Pfeilern, saßen vier Männer. Alle trugen Schnurrbärte, hatten breite Schultern
     und waren nach Ritterart mit Lendnern bekleidet. Zwei von ihnen kannte Reynevan, er wusste, dass es Polen waren. Selbst wenn
     er es nicht gewusst hätte, hätte er es erraten. Wie alle Polen im Ausland verhielten sich auch jene in der Fremde lärmend,
     arrogant und demonstrativ rüpelhaft, was ihrer Auffassung nach ihren Stand und ihren hohen gesellschaftlichen Rang hervorheben
     sollte. Lustig war dabei nur, dass seit Ostern das Ansehen der Polen in Prag sehr niedrig und ihre gesellschaftliche Position
     noch niedriger war.
    »Gelobt sei   ...!«, »Sei uns gegrüßt, ehrenwerter Äskulap!«, begrüßte sie einer von den Polen, den Reynevan unter dem Namen Adam Wejdnar
     vom Wappen Rawicz kannte. »Setzt euch doch, setzt euch beide! Wir laden euch ein und bewirten euch!«
    »Was lädst du denn den so bereitwillig ein?« Der zweite Landsmann, ebenfalls Großpole und Reynevan als Mikołaj Żyrowski vom
     Wappen Czewoja bekannt, rümpfte mit gespielter Verachtung die Nase. »Hast du zu viele Groschen übrig, oder was? Außerdem versieht
     dieser Kräuterkundler doch bei den Aussätzigen seinen Dienst! Der steckt uns noch mit der Lepra an! Oder mit etwas noch Scheußlicherem!«
    »Ich arbeite nicht mehr im Leprosorium«, erklärte Reynevan geduldig und nicht zum ersten Mal. »Ich praktiziere jetzt im Spital
     der Bohuslav-Mönche. Hier in der Altstadt. Bei der kleinen Kirche St. Simon und Judas.«
    »Ist ja gut, ist ja gut!« Żyrowski, der dies wusste, winkte ab. »Was wollt ihr trinken? Ach verdammt, entschuldigt. Macht
     euch miteinander bekannt. Die Ritter Jan Kuropatwa von Łańcuchowo vom Wappen Streniawa und Jerzy Skirmunt vom Wappen Odrowąż.
     Entschuldigt, aber was zum Teufel stinkt denn hier so?«
    »Schlamm. Aus der Moldau.«
     
    |19| Reynevan und Radim Tvrdik tranken Bier. Die Polen tranken österreichischen Wein und aßen gedünstetes Lammfleisch und dazu
     Brot. Sie schwadronierten absichtlich laut und vernehmlich auf Polnisch und erzählten einander mehrere Schnurren, die sie,
     jede einzelne, mit lautem Gelächter quittierten. Leute, die vorübergingen, wandten sich ab und fluchten leise. Manche spuckten
     aus.
    Seit
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