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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter
Autoren: dtv
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Anstelle von Giordano
     Orsini, der schon betagt und entsetzlich unbeholfen war, ernannte Papst Martin Henry Beaufort zum Kardinal und Legaten
a latere
, den Bischof von Winchester und Halbbruder des englischen Königs. Beaufort nahm sich sehr eifrig der Sache an. Der Kreuzzug,
     der mit Feuer und Schwert die hussitischen Apostaten strafen sollte, war bald beschlossen. Der Feldzug wurde sorgfältig vorbereitet,
     das Geld, im Kriege eine Sache von allergrößter Wichtigkeit, wurde gewissenhaft eingetrieben. Wunder über Wunder, diesmal
     wurde auch nicht ein Groschen davon gestohlen. Einige Chronisten vermuten, die Kreuzfahrer seien ehrlicher geworden, andere
     meinten, man habe es einfach besser bewacht.
    Zum Leiter des Kreuzzuges berief der Reichstag in Frankfurt |10| am Main Otto von Ziegenhain, den Erzbischof von Trier. Alle Welt wurde zu den Waffen und unter das Zeichen des Kreuzes gerufen.
     Und schon standen die Heere bereit. Friedrich der Ältere von Hohenzollern, der Kurfürst von Brandenburg, erschien mit seinen
     Kriegern. Unter Waffen standen die Bayern unter Herzog Heinrich dem Reichen, der Pfalzgraf Johann von Pfalz-Neumarkt und sein
     Bruder Otto von Mosbach, Pfalzgraf bei Rhein. Am Treffpunkt erschien der noch nicht mündige Friedrich von Wettin, der Sohn
     des durch Krankheit verhinderten Friedrich des Streitbaren, des Kurfürsten von Sachsen. Es erschienen – jeder mit einer stattlichen
     Schar   – Raban von Helmstätt, der Bischof von Speyer, Anselm von Nenningen, der Bischof von Augsburg, Friedrich von Aufseß, der Bischof
     von Bamberg. Johann von Brunn, der Bischof von Würzburg. Thiébaut de Rougemont, der Erzbischof von Bésançon. Es kamen Bewaffnete
     aus Schwaben, Hessen, Thüringen, aus den Hansestädten im Norden.
    Der Kreuzzug begann Anfang Juli in der Woche nach Peter und Paul, man überschritt die Grenze und drang, den Weg mit Leichen
     und Brandschatzungen pflasternd, tief nach Böhmen ein. Am Mittwoch vor St. Jakobi standen die Kreuzfahrer, verstärkt durch
     die Kräfte des katholischen böhmischen Landfriedens, vor Mies, wo der hussitische Herr Prybik de Clenove saß, und belagerten
     die Burg, sie schwer aus Bombarden beschießend. Herr Prybik hielt sich jedoch tapfer und dachte nicht daran, sich zu ergeben.
     Die Belagerung dauerte an, die Zeit verrann. Der Brandenburger Kurfürst Friedrich verlor die Geduld. Was das denn für ein
     Kreuzzug sei, rief er, er rate, unverzüglich weiterzuziehen und Prag anzugreifen. Prag, so rief er, sei das
caput regni
, wer Prag habe, der habe Böhmen   ...
    Heiß und glühend war der Sommer des Jahres 1427.   Aber was taten daraufhin die Gottesstreiter, fragt Ihr? Was geschah mit Prag, fragt Ihr?
    Prag   ...
    Prag stank nach Blut.

|11| Erstes Kapitel
    in dem Prag nach Blut stinkt und Reynevan verfolgt wird. Dann langweilt ihn der Alltagstrott, er hängt Erinnerungen nach,
     verspürt Sehnsucht, feiert, kämpft um sein Leben und versinkt in einem Federbett – in dieser Reihenfolge. Im Hintergrund schlägt
     Europa Purzelbäume, nimmt die Hacken zusammen und quietscht in den Kurven.
     
    P rag stank nach Blut.
    Reynevan roch an den Ärmeln seines Wamses. Er hatte gerade das Spital verlassen, und im Spital, wie das in Spitälern nun einmal
     so ist, wurden fast alle zur Ader gelassen, wurden laufend Geschwüre aufgeschnitten und Amputationen mit der Regelmäßigkeit
     von guten Werken durchgeführt. Die Kleidung konnte wohl diesen Geruch annehmen, das war nicht gerade außergewöhnlich. Aber
     sein Wams verströmte nur seinen eigenen Geruch, keinen anderen.
    Er hob den Kopf und schnupperte. Von Norden her, vom linken Ufer der Moldau, drang der Geruch von Unkraut und Blattwerk, das
     man in den Gärten verbrannte. Vom Fluss wurde zudem der Geruch nach Schlamm und Aas hergetragen – es war heiß, der Wasserspiegel
     hatte sich stark gesenkt, und die freigelegten Ufer und austrocknenden Pfützen vermittelten der Stadt schon seit geraumer
     Weile unvergessliche olfaktorische Eindrücke. Aber diesmal war es nicht der Schlamm, der stank. Dessen war sich Reynevan sicher.
    Ein leichter, sich aber ständig drehender Wind wehte zeitweise von Osten, vom Porzyczker Tor, her. Von Vítkov. Die Erde am
     Vítkover Hügel könnte gut und gerne Blut ausschwitzen. So viel war davon in den Boden gesickert.
    |12| Aber das war doch wohl nicht möglich. Reynevan schob den Riemen der Tasche auf seiner Schulter zurecht und ging mit raschen
     Schritten die
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