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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition)
Autoren: Olle Lönnaeus
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Horizont gestiegen und schickte ihre Strahlen jetzt geradewegs durch den Raum.
    «Hast du das schon gesehen?», rief der Polizist namens Benny aus. «Er hat wohl noch ein Bild gemalt, bevor er sich erhängt hat.» Mit einem amüsierten Lächeln zeigte er auf die graue Tapete, die im Sonnenlicht badete. «Nicht gerade ein da Vinci …»
    Die Farbe war dick aufgetragen und in aller Eile hingepinselt worden. Blutrot und mit groben Strichen.
    «Ghadab Allah», murmelte die Kriminalkommissarin.
    Joel schaute sie verständnislos an. Mit einem Mal machte sie einen sehr verletzlichen Eindruck.
    «Das ist kein Bild», erklärte sie leise. «Das sind arabische Schriftzeichen.»
    «Und was steht dort?»
    «Gottes Zorn», antwortete sie, ohne ihm in die Augen zu schauen. «Irgendjemand hat im Namen Allahs Rache geübt.»

Kapitel  3
    D ie Kreuzspinne hängt unbeweglich in ihrem Netz, nur wenige Zentimeter von dem Spalt zwischen Fensterbank und Eternitplatte entfernt, in dem sie wohnt. Sie sieht hungrig aus. Vielleicht sollte man ihr etwas zu fressen geben, denkt Joel.
    Er hält Ausschau nach einer Fliege. Gestern war es ihm gelungen, eine mit der Hand zu fangen und sie in das Spinnennetz zu werfen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, als er sah, wie sie mit den Flügeln schlug, hilflos gefangen in den klebrigen Fäden. Doch die Spinne ist sein Freund. Sie kam fast sofort aus ihrem Spalt heraus und machte sich über ihre Beute her. Joel konnte nicht umhin, die Lupe, die er von seiner Großmutter geschenkt bekommen hatte, aus der Schublade zu holen, um zu sehen, wie sie mit ihren schwarzen Kieferklauen die Fliege festhielt und aussaugte.
    Das Fenster ist angelehnt. Aber heute surren keine Fliegen im Zimmer herum. Der Haken zittert in seiner Öse, als ein Windstoß die Scheibe erfasst. Es ist warm, obwohl es noch früh am Morgen ist. Draußen vor dem Fenster mit dem Spinnennetz erstrecken sich schier endlose Kornfelder mit grünem Sommerweizen, weit dahinter ein kleines Wäldchen. Joel langweilt sich.
    Nein, das ist nicht richtig. Joel langweilt sich nicht, er versucht lediglich die Geräusche von unten aus der Küche zu verdrängen. Er legt sich ins Bett und zieht sich die Decke über den Kopf. Die Bettwäsche ist klamm und riecht säuerlich. Mårten brüllt wie immer herum. Mama schreit, doch dann hört er nur noch ein verhaltenes Schniefen und Wimmern. Als jemand ein Möbelstück umstößt, ertönt ein lautes Krachen. Dann zersplittert Glas.
    Mag sein, dass Joel eingeschlafen ist. Möglicherweise träumt er. Plötzlich sitzt sie auf seiner Bettkante. Erst denkt er, dass sie lacht. Sie beugt sich über ihn, sodass ihn ihre hübschen blonden Locken an der Nase kitzeln, aber ihre Augen kann er nicht sehen. Doch dann stellt er fest, dass ihre Lippen zittern, und merkt, dass sie keineswegs fröhlich ist. Ihre Wange ist gräulich gelb verfärbt. Joel weiß, was das bedeutet.
    Er spürt eine kühle Hand auf seiner Stirn. Hat er Fieber?
    Er sieht, wie sie ihren Mund bewegt, hört aber nicht, was sie sagt. Mama lächelt freundlich. So muss es gewesen sein, oder? Beim letzten Mal. Das allerletzte Mal, als er sie sah, hat sie ihm doch wohl liebevolle Worte zugeflüstert, nicht wahr?
    Joel wünschte, er wäre groß und stark. So groß und so stark, dass er Mårten in seiner hohlen Hand fangen und ins Netz der Spinne werfen könnte.
    Wenn er das gemacht hätte, wäre sie bestimmt geblieben, oder?
    ***
    D as Klopfen an der offenen Tür war so diskret, dass er zuerst nicht reagierte. Joel hatte sich in den Sessel gelümmelt und blinzelte müde. Die Eiszapfen, die vorm Fenster hingen, glitzerten.
    «Darf ich mich setzen?»
    Joel richtete sich auf und betrachtete den Mann, der in sein Blickfeld getreten war. Ein untersetzter Fünfzigjähriger in grauem Anzug. Tiefliegende Augen, die nur schwer erkennen ließen, worauf er seinen Blick richtete. Er setzte sich auf die Bettkante.
    «Wie spät ist es?», fragte Joel verwirrt.
    Der Mann schob die Manschette seines Hemdes zurück und entblößte eine silberglänzende Taucheruhr am Handgelenk.
    «Fast vierzehn Uhr.»
    «Dann muss ich wohl wieder eingedöst sein.»
    «Mein Beileid», sagte der Mann. «Also wegen der Sache mit Ihrem Vater …»
    Joel schnaubte und fuhr sich mit dem Handrücken über die Oberlippe.
    «Tut mir leid, dass wir Sie hier festhalten müssen. Aber Sie werden verstehen, dass wir viele Fragen an Sie haben.»
    Der Polizist unterbrach sich, indem er die Hand in die Innentasche
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